Immer wieder stellt sich die Frage, ob einem Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO der allgemeine Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann. Das soll immer dann der Fall sein, wenn mit einem Auskunftsersuchen zweckfremde Ziele verfolgt werden. Problematisch ist allerdings, dass weder Art. 15 DSGVO noch Art. 12 DSGVO (der insoweit weitere Einschränkungen vorsieht) den allgemeinen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht vorsehen und einen Rückgriff hierauf nach dem Wortlaut auch nicht ausdrücklich vorsehen.
Das LG Detmold hat in einer aktuell veröffentlichten Entscheidung vom 26. Oktober 2021 (Az. 02 O 108/21) festgestellt, dass ein Anspruch aus Art. 15 DSGVO ausgeschlossen sein kann, wenn hiermit verordnungsfremde Zwecke verfolgt werden. Wörtlich führt das Landgericht hierzu aus:
„Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf § 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des § 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u. a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 242 Rn. 49 f.).
So liegt der Fall hier.
Nach dem Vortrag des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 – 20 W 10/18).
Der Kläger macht keines der vorgenannten Interessen geltend.
Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunab-hängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden.“
Kritik
Es ist nachvollziehbar, dass ausufernden Auskunftsersuchen durch einen Rückgriff auf den allgemeinen Einwand des Rechtsmissbrauchs eine Begrenzung erfolgen soll. Allerdings ist ein Rückgriff auf die nationale Vorschrift des § 242 BGB aus mindestens zwei Gründen problematisch:
1. Die DSGVO kennt diesen Einwand des Rechtsmissbrauchs in dieser Form nicht.
2. Die DSGVO verfolgt den Zweck, den Datenschutz unionsweit einheitlich zu regeln. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn die Rechte des Betroffenen in einem Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) durch einen Rückgriff auf nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch nicht durchgängig zur Anwendung finden.
Es wird auf europäischer Ebene durch den EuGH entschieden werden, ob der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO über die Einschränkungen innerhalb der DSGVO selbst durch einen allgemeinen Einwand des Rechtsmissbrauchs beschränkt werden kann.