Prozesse im Wettbewerbsrecht und im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes haben meist hohe Streitwerte. Es geht um viel, um geistiges Eigentum und im UWG auch um den Schutz der Verbraucher. Daher gibt es im Markengesetz, im Patentgesetz und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine Härtefallregelung, um wirtschaftlich schwächeren Parteien die Verteidigung ihrer Rechte zu ermöglichen, wenn die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde.

Gilt das auch in der Insolvenz?

Das OLG Brandenburg hat in einem aktuellen Beschluss vom 25. Mai 2021 (Az.: 6 W 4/21; 6 U 2/21) etwas zur Frage der  Streitwertbegünstigung im Rahmen von Insolvenzverfahren gesagt.

Zum Hintergrund der Entscheidung

Die Parteien befinden sich in einem Eilverfahren. Der Verfügungskläger wirft der Beklagten  wettbewerbswidrigem Verhalten vor. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag des Verfügungsklägers zurückgewiesen und den Streitwert auf 30.000,00 EUR festgesetzt. Gegen die Entscheidung legte der Verfügungskläger n Berufung  ein.

Die Verfügungsbeklagte  beantragte die Herabsetzung des Streitwertes unter Berücksichtigung ihrer Wirtschaftslage. Das Landgericht setzte daraufhin den Streitwert auf 500,00 EUR fest.  Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein.

Die Entscheidung

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin setzt das OLG Brandenburg den Streitwert auf 9.000,00 EUR fest. Je niedriger der Streitwert sei, desto weniger bestehe Anlass, eine Streitwertbegünstigung anzunehmen. Liege der Streitwert bei unter 10.000,00 EUR, komme eine Streitwertbegünstigung regelmäßig nicht in Betracht.

Zudem muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. An die Darlegung und Glaubhaftmachung dieser Voraussetzung sind strenge Voraussetzungen zu stellen.
„Maßgebend für die im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung ist nicht, ob die Partei die Kosten nach dem vollen Streitwert nicht tragen kann, sondern ob ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährdet wird. Es ist deshalb eine Abwägung vorzunehmen zwischen der wirtschaftlichen Lage der Partei einerseits und der Kostenbelastung andererseits (…). Eine wirtschaftliche Gefährdung liegt noch nicht vor, wenn sich die Partei in finanziellen Schwierigkeiten befindet, solange ihr eine Kreditaufnahme möglich und zumutbar ist und noch nicht die Insolvenz droht (…). Eine Streitwertbegünstigung scheidet allerdings dann aus, wenn die betreffende Partei bereits endgültig vermögenslos ist, denn in dieser Lage tritt durch die Belastung mit den Gerichtskosten keine zusätzliche Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Situation mehr ein (vgl. BGH, Beschluss vom 24.02.1953 – I ZR 106/51).“

Auswirkungen für die Praxis

Mit der UWG-Novelle im Jahr 2020 ist die Regelung zur Streitwertbegünstigung des § 12 Abs. 4 UWG aF in § 12 Abs. 3 UWG aufgerückt. Die Anordnung der Streitwertbegünstigung liegt im Ermessen des Gerichts („kann“). Macht ein Antragsteller glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, kann Streitwertbegünstigung gewährt werden. Die Gerichts- und Anwaltskosten verringern sich damit für ihn. Im Gegensatz zur Prozesskostenhilfe muss der Begünstigte bei der Streitwertbegünstigung auch dann, wenn sich nach Abschluss des Prozesses seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern, keine Nachzahlungen leisten (ausführlich Gruber, GRUR 2018, 585, 586).

Ist über das  Vermögen des Antragstellers jedoch bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden, können  Gerichtskosten seine  wirtschaftliche Situation nicht zusätzlich belasten, wie das OLG Brandenburg unter Hinweis auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Patentrecht aus dem Jahr 1953 schreibt.  

Das ist insoweit richtig, als durch die Belastung mit den Prozesskosten erst einmal keine zusätzliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage eines insolventen Unternehmens eintritt. Allerdings bezweckt das Insolvenzverfahren ja auch die Sanierung des Unternehmens.  Für die Frage der Streitwertbegünstigung kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes allerdings nur darauf an, ob die wirtschaftliche Lage erheblich gefährdet ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn eine Insolvenz droht. Eine Streitwertbegünstigung scheidet folgerichtig aus, wenn die Partei bereits in der Insolvenz und endgültig vermögenslos ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 39. Aufl. 2021 Rn. 4.21, UWG § 12 Rn. 4.21).