Ob Ansprüche auf Geldentschädigung nach Art. 82 DSGVO übertragbar sind, ist eine in der Praxis höchst relevante und zugleich sehr umstrittene Frage. Relevant deswegen, weil ganze Geschäftsmodelle darauf aufbauen, Ansprüche auf Geldentschädigung zu kaufen und gegen den Verantwortlichen durchzusetzen. Umstritten deswegen, weil die Rechtsprechung des BGH – die hierfür ins Feld gezogen wird – ihren Ursprung zu einer Vorschrift hat, die mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten aufgehoben ist.

Keine Übertragbarkeit von Geldentschädigungsansprüchen

Während eine Abtretung von Ansprüchen auf Ersatz materieller Schäden unzweifelhaft möglich ist, ist strittig, ob auch die Ansprüche auf Ersatz einer Geldentschädigung also auf Ersatz der immateriellen Schäden möglich ist. Vor allem Spittka[1] vertritt die Auffassung, dass Ansprüche auf Geldentschädigung nicht abtretbar seien. Die mit dem Anspruch verfolgte Genugtuungsfunktion könne nur gegenüber der betroffenen Person erfüllt werden, deren Daten rechtswidrig verarbeitet wurden und von der Datenschutzverletzung betroffen seien.[2] Zur Begründung wird auf eine „ständige Rechtsprechung zur Nichtabtretbarkeit von Entschädigungsansprüchen wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrecht“ rekurriert, die auch für den immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO gelte.[3] Dieser Ansicht hat sich sodann unter Verweis auf Spittka auch das AG Hannover angeschlossen.[4]

Presserechtliche Entscheidungen des BGH unergiebig

Die hierzu in Bezug genommenen Entscheidungen des BGH befassten sich im Kern allerdings gerade nicht mehr mit der Abtretbarkeit eines Geldentschädigungsanspruches, sondern letztlich nur noch mit der Frage nach der Vererblichkeit eines solchen Anspruches.[5] Insofern ist bereits fraglich, ob der BGH seine Rechtsprechung, die noch auf der Geltung des mittlerweile aufgehobenen § 847 Abs. 1 S. 2 BGB erging, auch in Bezug auf die Frage der Abtretbarkeit eines Anspruches auf Geldentschädigung aufrechterhalten würde.

Neuere Entscheidung zum AGG spricht für eine Übertragbarkeit

Hiergegen spricht dann auch eine recht aktuelle Entscheidung des BGH vom 18.6.2020[6], in welcher der Senat zu entscheiden hatte, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung übertragbar und damit auch pfändbar ist. Der BGH hat im Rahmen dieser Entscheidung ausdrücklich den Unterschied zwischen der Vererblichkeit und der Abtretbarkeit eines Anspruches auf Geldentschädigung hervorgehoben und ist letztlich zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Aufhebung von § 847 Abs. 1 S. 2 BGB[7] einer Übertragbarkeit eines Geldentschädigungsanspruches nichts im Wege stehe, vgl.:

„Ein Ausschluss der Pfändbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach § 15 II AGG ist gesetzlich nicht normiert. Der Entschädigungsanspruch als Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens stellt eine gemeinschaftsrechtlich gebotene gesetzliche Ausnahme zur Grundregel des § 253 I BGB dar, wonach immaterielle Schäden außer in den Fällen des § 253 II BGB nicht zu ersetzen sind (BAGE 129, 181 = NJW 2009, 3533 Rn. 75Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, 4. Aufl., § 15 Rn. 58; Staudinger/Serr, BGB, 2018, § 15 AGG Rn. 35; BeckOK BGB/Horcher, 2020, § 15 AGG Rn. 26Erman/Belling/Riesenhuber, BGB, 15. Aufl., § 15 AGG Rn. 11). Immaterielle Schäden sind aber auch im Übrigen seit dem Wegfall des § 847 I 2 BGB aF ab 1.7.1990 in der Pfändbarkeit nicht mehr beschränkt. Dies gilt auch für den Entschädigungsanspruch.“

Tatsächlich enthält auch § 253 Abs. 2 BGB keine mit § 847 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Einschränkung hinsichtlich der Übertragbarkeit, sodass es für die Ansicht, dass der Geldentschädigungsanspruch nicht übertragbar sei, bereits nach nationalem Recht an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Dementsprechend kommen in der datenschutzrechtlichen Literatur die Autoren derzeit auch überwiegend zu dem Schluss, dass auch der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO übertragbar ist.[8] Begründet wird dies überwiegend damit, dass bei dem Anspruch auf Geldentschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO die Genugtuungsfunktion, auf welche der BGH seine Entscheidungen in der Vergangenheit stützte, nicht im Vordergrund stehe, sondern vielmehr die Abschreckungsfunktion.[9] Hiervon ausgehend seien die Feststellungen des BGH nicht auf den datenschutzrechtlichen Geldentschädigungsanspruch übertragbar.[10] Auch seiner neuen Entscheidung kommt der BGH zu der Feststellung, dass wenn die Genugtuungsfunktion nicht im Vordergrund stünde, stehe einer Abtretbarkeit des Anspruches nichts entgegen.

Und selbst wenn man auf die Genugtuungsfunktion abstellen wollte, spricht nichts dagegen, dass diese Funktion auch dann erfüllt werden kann, wenn die betroffene Person ihren Anspruch auf Geldentschädigung an einen Legal-Tech Anbieter verkauft und zumindest einen Teil der geschuldeten Geldentschädigung erhält. Es spricht sogar viel dafür, dass die Genugtuung umso höher ist, wenn die betroffene Person weiß, dass der Verantwortliche sich bei einem größeren Datenschutzvorfall nicht nur einem, sondern gleich mehrerer, gebündelt geltend gemachter Ansprüche ausgesetzt sieht. Dogmatisch dürfte es hierauf allerdings bereits gar nicht ankommen, da weder die DSGVO noch das nationale Recht ausdrücklich regeln, dass eine Übertragung des Geldentschädigungsanspruches ausgeschlossen ist. Durch die ausdrückliche Streichung von § 847 BGB und die Einfügung von § 253 Abs. 2 BGB ohne ein Übertragungsverbot analog zu § 847 Abs. 1 S. 2 BGB, spricht sogar vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber die Übertragbarkeit von Ansprüchen auf Geldentschädigung gewollt hat.

Ausblick

Das AG Hannover hat mit seiner Entscheidung zwar vorgelegt, aber letztlich wird es eine höchstrichterliche Entscheidung brauchen, um die Frage nach der Abtretbarkeit von Geldentschädigungsansprüchen abschließend zu klären. Mit Blick darauf, dass die Genugtuung zwar ein Aspekt des Geldentschädigungsanspruches ist, allerdings nicht zwangsläufig der wesentlichste, lässt sich mit guten Gründen, vor allem mit Blick auf den aktuellen Beschluss des BGH, annehmen, dass auch der Geldentschädigungsanspruch nach Art. 82 DSGVO abtretbar ist.

Fussnoten:

[1] Spittka, GRUR-Prax 2019, 475, 476.

[2] Spittka, GRUR-Prax 2019, 475, 476; so, ohne nähere Begründung auch Klein, GRUR-Prax 2020, 433, 433.

[3] Spittka, GRUR-Prax 2019, 475, 476; Klein, GRUR-Prax 2020, 433, 433. Spittka verweist hierzu auf eine Literaturfundstelle im Münchener Kommentar, nämlich Roth/Kieninger, MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 399, Rn. 10, die wiederum auf Entscheidungen des BGH verweist: BGH, Urt. v. 23.5.2017 – VI ZR 261/16 u. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12.

[4] AG Hannover, Urt. v. 9.3.2019 – 531 C 10952/19.

[5] BGH, Urt. v. 23.5.2017 – VI ZR 261/16; BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12.

[6] BGH, Beschl. V. 18.6.2020 – IX ZB 11/19.

[7] § 847 Abs. 1 S. 2 BGB lautete: „Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechtshängig geworden ist.“

[8] Bergt in Kühling/Buchner, DSGVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82, Rn. 65; Moos/Schefzig in Taeger/Gabel, DSGVO BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 82, Rn. 58; Kohn, ZD 2019, 498, 499; Boehm in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 82, Rn. 7.

[9] Bergt in Kühling/Buchner, DSGVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82, Rn. 65.

[10] Bergt in Kühling/Buchner, DSGVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82, Rn. 65.