In einer recht jungen Entscheidung hat sich das Amtsgericht Bonn (Urt. v. 30.7.2020 – 118 C 315/19) mit dem Umfang des Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO zu befassen. Es kam zu der Erkenntnis, dass das Auskunftsrecht nicht auf die Mitteilung der Stammdaten beschränkt sei. Unter Hinweis auf den weiten Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sei auch das Auskunftsrecht spiegelbildlich weit zu verstehen. Dogmatisch lässt sich dieses weite Verständnis durchaus begründen, es stellt sich allerdings die Frage, ob dann nicht auf einer anderen Stufe der Prüfung ein Korrektiv erforderlich ist, um ausufernde Auskunftsanfragen zu verhindern. Vorliegend würde sich sogar ein zweiter Blick auf den Einwand des Rechtsmissbrauches lohnen.

AG Bonn verneint einen Rechtsmissbrauch

Das AG Bonn hat in seiner Entscheidung den Einwand des Rechtsmissbrauchs der beklagten Bank zurückgewiesen und hierzu unter anderem ausgeführt:

„Das Auskunftsbegehren des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ureigenster Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (vgl. Erwägungsgrund 63 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG). Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinaus gehenden bzw. anders gelagerten Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. So wird von der Rechtsprechung einem Kläger erlaubt, ihn betreffende Daten zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens vom Beklagten heraus zu verlangen (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 32. Ed. 1.5.2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 52.2). Nichts anderes kann aber gelten, wenn – wie hier – der Kläger die Informationen benötigt, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken.“

Einwand des Rechtsmissbrauch als notwendiges Korrektiv

Diese Feststellungen überzeugen vorliegend allerdings nicht, insbesondere wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Hintergrund des Auskunftsersuchen die Durchführung eines Rechtsstreites gegen einen Dritten ist und das ohne tiefergehenden Bezug zu der Verarbeitungstätigkeit der vor dem AG Bonn verklagten Bank.

Nach Art. 15 Abs. 1, HS. 2 DSGVO hat jede betroffene Person das Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten, die bei dem Verantwortlichen verarbeitet werden. Mithilfe des Auskunftsrecht soll die Durchsetzbarkeit der übrigen Rechte der betroffenen Person ermöglicht und gesichert werden (Ehmann in Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 3). Nur wer weiß, ob und wenn ja, welche personenbezogenen Daten zu welchen Zweck in welchem Umfang verarbeitet werden, ist überhaupt in der Lage, die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund ist das Auskunftsrecht der betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch von überragender Bedeutung (Franck in Gola, Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl., Art. 15 Rn. 1; Bäcker in Kühling/Buchner DS-GVO BDSG. 2 Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 5; Ehmann in Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1). Das Amtsgericht Bonn geht dabei von einer sehr weiten Auslegung aus, und greift hierzu unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18) auf eine weite Auslegung des Begriffes der „personenbezogenen Daten“ zurück (a.A. LG Köln, Urt. v. 19.6.2019 – 26 S 13/18). Danach seien nicht nur Stammdaten erfasst, sondern mehr oder weniger sämtliche Informationen, die einen Personenbezug zur betroffenen Person aufweisen. Für diese Ansicht spricht in der Tat, dass weder der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 DSGVO bzw. von Art. 4 Nr. 1 DSGVO eine Einschränkung der personenbezogenen Daten lediglich auf Stammdaten vorsehen (Schmidt-Wudy in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 33. Ed. 1.8.2020, DSGVO, Art. 15, Rn. 52.2).

Kein Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO zur Beweisführung gegen Dritte

Vor dem Hintergrund einer solch weiten Auslegung erscheint es aus Sicht der Verantwortlichen erforderlich, dass das Auskunftsrecht im Einzelfall auf einer anderen Stufe zumindest wieder ein Stück weit eingeschränkt wird. Anderenfalls liefen Verantwortliche Gefahr, ihrer Pflicht zur Erteilung von Auskünften aufgrund eines unverhältnismäßigen Aufwandes nicht oder nicht ordnungsgemäß nachzukommen. Dies hätte zur weiteren Folge, dass der betroffenen Person nur unvollständige Auskünfte erteilt werden und Verantwortliche sich entsprechender Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO ausgesetzt sähen. Eine solche Einschränkung kann über das Institut des Rechtsmissbrauchs erfolgen. Diesen Einwand hatte das AG Bonn mit der Begründung zurückgewiesen, dass es jedenfalls nicht deswegen rechtsmissbräuchlich sein müsse, weil die betroffene Person die Informationen, welche sie im Rahmen der Auskunftserteilung erhält, zur Vorbereitung und Durchführung eines Rechtsstreites gegen einen Dritten verwenden wolle.

Ein Rechtsmissbrauch kann angenommen werden, wenn die betroffene Person ausschließlich oder ganz überwiegend sachfremde Ziele verfolgt, welche mit dem Zweck des Auskunftsanspruch nichts zu tun haben (Lembke, NJW 2020, 1841, 1845). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Missbrauchseinwand aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt und auch auf europäischer Ebene gilt und damit auch auf die DSGVO anwendbar ist (Lembke, NJW 2020, 1841, 1845). Kommt man wieder auf den originären Zweck des Auskunftsrecht der betroffenen Person zurück, hätte das AG Bonn zu der Feststellung gelangen müssen, dass diese Zwecke hier ganz ausdrücklich nicht verfolgt werden. Insoweit macht es entgegen der Ansicht des AG Bonn auch einen erheblichen Unterschied, ob der Kläger vorliegend Ansprüche gegen seine Bank durchsetzen möchte und hierfür die Auskunft über die über ihn erhobenen personenbezogenen Daten verlangt oder ob er Ansprüche eines an der Datenverarbeitung unbeteiligten Dritten abwehren möchte. Nicht die Überprüfung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten und die anschließende Geltendmachung von datenschutzrechtlichen Rechten stehen hier im Vordergrund, sondern allein das Interesse, die so erlangten Informationen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens als Nachweis für eine selbst initiierte Überweisung an einen Dritten einzusetzen. Beabsichtigt die betroffene Person bereits von Anfang an nicht die Ausübung von Datenschutzrechten, ist es gerechtfertigt, das Auskunftsrecht entsprechend zu beschränken (in diese Richtung auch Korch/Chatard, NZG 2020, 893, 897). Es ist allerdings nicht mit den originären Zwecken des Art. 15 DSGVO in Einklang zu bringen, wenn eine betroffene Person offensichtlich zweckfremde Ziele verfolgt, insbesondere wenn – wie offensichtlich hier – von Anfang an zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Anlass des Auskunftsersuchen nur einen untergeordneten Bezug zu der Verarbeitungstätigkeit der Bank hat.

Für die verklagte Bank kann es in der Berufungsinstanz nach der hier vertretenen Auffassung also von Vorteil sein, dass der Kläger seine Motive für das Auskunftsverlangen offengelegt hat.