Zum Hintergrund
Mit dem Ziel den Folgen der COVID-19 Pandemie bestmöglich zu begegnen, wurde seitens der Bundesregierung ein umfangreiches Konjunkturpaket geschnürt. Dieses enthält unter anderem die Absenkung der Umsatzsteuersätze seit dem 01.07.2020. Konkret bedeutet dies, dass mit dem 01.07.2021 bis zunächst zum 31.12.2020, statt 19% nur noch ein Mehrwertsteuersatz von 16% gilt und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5% gesenkt wird. Anbieter von Waren und Dienstleistungen fragen sich in diesem Zusammenhang, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und mit Bußgeld beschwerte Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und inwieweit die Weitergabe der Steuersenkung an den Kunden überhaupt verpflichtend ist.
1. Preissetzungsfreiheit bleibt unberührt
Festzuhalten ist, dass die Freiheit der Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die Preisgestaltung nach eigenem Ermessen vorzunehmen, einen Grundsatz des freien Markwirtschaft darstellt, der auch mit der Steuersenkung unberührt bleibt. Unternehmer sind daher grundsätzlich nicht verpflichtet die Steuersenkung an ihre Kunden weiterzugeben. Behalten Unternehmen ihre ausgeschriebenen Preise bei, stellt dies aufgrund der geringeren Steuerlast automatisch eine Erhöhung der Nettopreise dar. Eine solche Erhöhung ist unproblematisch möglich, da der Kunde selbst entscheiden kann, ob er einen Vertrag mit dem Anbieter der Waren oder Dienstleistungen schließen möchte oder nicht. Unternehmer können auch unabhängig etwaiger Steueränderungen ihre Preise frei gestalten. In Bezug auf ab dem 01.07.2020 neu abgeschlossene Verträge bedarf es daher grundsätzlich keiner weiteren Vorkehrungen.
2. Absenkung der Umsatzsteuer stellt keinen Preisnachlass iSv § 9 Abs. 2 PAngV dar
Unternehmer, die die steuerliche Entlastung wiederum an ihre Kunden weitergeben wollen, sind bei Verbrauchergeschäften aufgrund § 5a Abs. 2, Abs. 3 UWG, Art. 246 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB und insbesondere § 1 Abs. 1 PAngV dazu verpflichtetet, den geänderten Gesamtpreis auf den Waren und Leistungen anzugeben. Eine Divergenz zwischen dem auf den Waren ausgeschriebenen und dem an der Kasse tatsächlich zu entrichtendem Preis, stellt einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung dar.
Um die Unternehmen zu ermutigen, die Senkung der Umsatzsteuer weiterzugeben, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einer Pressemitteilung vom 12.06.2020 mitgeteilt, dass es die Landespreisbehörden darüber informiert habe, von der Anwendbarkeit der Ausnamevorschrift des § 9 Abs. 2 PAngV auszugehen. Diese Vorschrift macht von der Pflicht zur Angabe des konkreten Gesamtpreises bei individuellen Preisnachlässen sowie auf nach Kalendertagen zeitlich begrenzte und durch Werbung bekannt gemachte generelle Preisnachlässe eine Ausnahme.
Dabei verkennt das Ministerium jedoch, dass es sich bei Preisänderungen aufgrund einer staatlichen Steuersenkung gerade nicht um im Einflussbereich des Anbieters stehende Preisnachlässe handelt. Sinn und Zweck eines Nachlasses ist es aber gerade, dass dem Kunden durch vom Unternehmer beeinflussbare interne Faktoren eine Reduzierung des Nettopreises angeboten wird. Auch ist unklar, ob die Ausnahmevorschrift bei Preisdarstellungsanforderungen überhaupt greift, die sich gerade nicht aus der Preisangabenverordnung ergeben. Zudem sind die Preisbehörden der Länder nicht zwingend an die Rechtsauffassung des Bundesministeriums gebunden und können festgestellte Verstöße dennoch entsprechend mit einem Bußgeld belegen. Der Hinweis des Ministeriums allein führt somit nicht rechtssicher zu einer Entbindung von der Verpflichtung der ordnungsgemäßen Auszeichnung. [Mehr zu diesem Thema im kostenlosen Whitepaper USt-Senkung und Preisangaben]
3. Wer die Steuersenkung nicht an die Kunden weitergibt, ändert einseitig bestehende Preise
Gerade im Tourismusbereich, in der Baubranche oder bei dem Kauf eines Neuwagens werden Verträge meist weit im Voraus zum eigentlichen Leistungszeitpunkt geschlossen. Bei Verträgen, die auf Grundlage des erhöhten Umsatzsteuersatzes bereits vor dem 01.07.2020 geschlossen wurden, muss die Steuersenkung an den Kunden weitergebeben werden. Andernfalls würde es sich um eine grundsätzlich unzulässige einseitige nachträgliche Preisänderung handelt.
Für die Entstehung der Umsatzsteuer kommt es darauf an, wann die Leistung ausgeführt wird. 13.1 UStAE verdeutlicht, dass Lieferungen erst dann als ausgeführt betrachtet werden, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den Gegenstand erlangt hat oder wenn die Lieferung versendet worden ist. Sonstige Leistungen gelten erst im Zeitpunkt der Vollendung als ausgeführt. Wenn ein Vertrag somit zu einem bestimmten Preis vor dem 01.07.2020 geschlossen wurde jedoch erst in dem Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 ausgeführt wird, schuldet der Vertragspartner nur einen Steuersatz von 16% bzw. 5%. Bleiben die Endpreise nunmehr unverändert, führt dies automatisch zu einer einseitigen Veränderung des ursprünglich gemeinsam vereinbarten Nettopreises. Eine einseitige Änderung essentieller Vertragsbestandsteile ist bereits nicht mit dem allgemeinen Prinzip von „pacta sunt servanda“ vereinbar. Der Vertragspartner hat demnach einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Preises bzw. auf Inrechnungstellung eines um die gesenkte Steuer reduzierten Preises.
Etwas anderes gilt nur, wenn der Vertrag eine Preisanpassungsklausel beinhaltet. Auch bei Vertragsklauseln, die eine einseitige nachträgliche Preiserhöhung ermöglichen, ist jedoch Vorsicht geboten. Viele Preisänderungsklauseln beschränken sich auf die Deckung von Unkosten, die während der Vertragszeit oder bis zum Zeitpunkt der Leistungserbringung angestiegen sind. Die Rechtsprechung setzt zudem voraus, dass eine nachträgliche Preiserhöhung nicht lediglich zu einem erhöhten Gewinn des Verwenders führen darf. Bei AGB gegenüber Verbrauchern ist zudem das Klauselverbot aus § 309 Nr.1 BGB zu beachten. Eine wirksame Preisanpassungsklausel, die im Fall einer Steuersenkung die Möglichkeit der Erhöhung des Nettopreises ermöglicht, ist daher wohl kaum zu formulieren. Bei Altverträgen ist die Weitergabe der Steuersenkung an den Kunden daher unter den oben genannten Voraussetzungen verpflichtend.
4. Was man bei Abmahnungen von Mitbewerbern beachten sollte
Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Preisauszeichnungen, können darüber hinaus unter Umständen zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen führen. Wird gar kein Endpreis an den Waren ausgezeichnet oder stimmt der angegebene Endpreis nicht mit dem tatsächlich zu zahlenden Preis überein, liegt dem Grunde nach ein nach § 3a UWG bzw. § 5a Abs. 2, Abs. 3 UWG abmahnfähiger Verstoß vor.
Es ist jedoch anzunehmen, dass der angesprochene Verbraucher bei zutreffender Information über den tatsächlich niedrigeren Gesamtpreis ebenfalls die Ware erworben bzw. die Leistung bei dem Unternehmer in Anspruch genommen hätte. Das Kaufverhalten des Verbrauchers bleibt somit trotz dem objektiv vorliegenden Verstoß unverändert, sodass sich der Verstoß hier ausnahmsweise nicht wettbewerbsrechtlich auswirkt. Die wettbewerbsrechtliche Relevanz ist jedoch eine zwingende ungeschriebene Voraussetzung für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes. In Ermangelung dieser geschäftlichen Relevanz wird die Abmahnung eines Mitbewerbers somit aller Voraussicht nach nicht zu dem gewünschten Erfolg führen.
Ausblick
Es wird deutlich, dass die Schaffung der gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen Preistransparenz für Unternehmen mit einigen Hürden verbunden ist. Die Risiken für Unternehmen sowie die zu treffenden Vorkehrungen, haben wir in einem Whitepaper zusammengefasst. Der Leitfaden liefert nützliche Tipps für die Praxis und stellt drohende Konsequenzen von Verstößen gegen die Verpflichtungen in Bezug auf die Steuersenkung dar.
Update:
Für die WRP habe ich einmal ausführlich dargelegt, dass und warum ich der Auffassung bin, dass die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 2 PAngV in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar ist und warum Unternehmen dennoch keine Abmahnungen fürchten müssen.
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