Das Landgericht Düsseldorf musste sich in einer Entscheidung (Urt. v. 22.11.2019 – 38 O 110/19) mit einer Frage befassen, die höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden wurde. Muss bei der Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform ein Grundpreis gemäß § 2 Abs. 1 PAngV angegeben werden?

Was war passiert?

Die Beklagte vertreibt über ihre Internetseite unter anderem Nahrungsergänzungsmittel an Verbraucher. Dabei bot sie mehrere Produkte lediglich unter Angabe eines Gesamtpreises an. Bei den angebotenen Produkten handelte es sich unter anderem mehrere in Kapselform angebotene Produkte. Hiergegen richtete sich die außergerichtliche Abmahnung der späteren Klägerin. Sie ist der Auffassung, dass auch bei Nahrungsergänzungsmitteln, die zum Beispiel in Kapselform angeboten werden, neben dem Gesamtpreis auch der Grundpreis angegeben werden müsse. Die außergerichtliche Abmahnung führte allerdings nicht zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, sodass die Klägerin sich gezwungen sah, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Nach Auffassung der Kammer sei die Beklagte nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV verpflichtet, die im Onlineshop angebotenen Nahrungsergänzungsmittel nur unter Angabe eines Grundpreises zu bewerben. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV habe derjenige, der Verbrauchern gewerbsmäßig Waren in Fertigverpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheit ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis den Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) anzugeben, sofern nicht der Grundpreis mit dem Gesamtpreis identisch ist.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die von der Beklagten angebotenen Nahrungsergänzungsmittel nicht dieser Vorgabe entsprechend angeboten wurden. Bei allen angegriffenen Nahrungsergänzungsmittel handelte es sich um Waren in einer Fertigpackung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV. Insoweit sei auf die Legaldefinition in § 42 Abs. 1 MessEG zurückzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 – I ZR 85/18 – Kaffeekapseln). Danach sind Fertigpackungen Verpackungen beliebiger Art, in die in Abwesenheit des Käufers Erzeugnisse abgepackt und die in Abwesenheit des Käufers verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. Unter diese Begriffsbestimmung fallen die Gebinde mit den verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln.

Die Nahrungsergänzungsmittel werden auch nach Gewicht bzw. Volumen angeboten. Dieses Merkmal des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV sei erfüllt, wenn Angaben zur Füllmenge der in einer Verkaufseinheit angebotenen Ware gesetzlich vorgeschrieben sind.

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV. Bei vorverpackten Lebensmitteln ist gemäß Artt. 12 Abs. 2, 9 Abs. 1 lit. e) LMIV die Nettofüllmenge des Lebensmittels anzugeben, und zwar gemäß Art. 23 Abs. 1 LMIV bei flüssigen Erzeugnissen in Volumeneinheiten und bei sonstigen Erzeugnissen in Masseeinheiten.

Die Kammer führte zu den gegenläufigen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur aus:

„Die von der Beklagten für richtig gehaltene, in Rechtsprechung und Literatur teilweise geteilte Sichtweise (vgl. OLG Celle, Urteil vom 9. Juli 2019 – 13 U 31/19, LMuR 2019, 212 [unter 2 c bb]; OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2019 – 6 W 26/19, BeckRS 2019, 16260; Bruggmann, LMuR 2019, 141 [143 f.]) berücksichtigt nicht hinreichend, dass es für Nahrungsergänzungsmittel keine natürlichen Mengeneinheiten gibt, sondern sie in unterschiedlicher Form (neben den in Anlage K1 enthaltenen Darreichungsformen ist als vierte die Pulverform zu nennen) herstellt und vertrieben werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2019, a.a.O.). Hinzu kommt, dass eine auf die Kapseln abstellende Sichtweise den Begriff des Lebensmittels von vornherein auf eine bestimmte – vom Hersteller bei Nahrungsergänzungsmitteln frei wählbare und von der LMIV als Kriterium nicht genannte – Darreichungsform verengt, was das Prüfkriterium des „normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht“-Werdens vielfach leerlaufen ließe (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2019, a.a.O.).“

Auswirkungen für die Praxis

Das Landgericht wendet die Grundsätze des BGH hinsichtlich der Pflicht zur Grundpreisangabe bei Kaffeekapseln auch auf Nahrungsergänzungsmittel an. Entscheidend sei, dass es bei Nahrungsergänzungsmittel keine natürliche Mengeneinheiten gibt, sondern diese in unterschiedlicher Form hergestellt und vertrieben werden. Diesen Aspekt haben die Vertreter der anderen Ansicht nicht hinreichend berücksichtigt. Damit wird die Frage weiterhin kontrovers diskutiert, bis der BGH sich mit dieser Frage befassen muss und für ein wenig mehr Klarheit bringt. Für Anbieter von Nahrungsergänzungsmittel empfiehlt es sich bis dahin, an der strengen Auffassung des Landgericht Düsseldorf zu orientieren und den Grundpreis für die angebotenen Nahrungsergänzungsmittel anzugeben. Wird der Grundpreis angegeben, obwohl dies nicht gesetzlich verpflichtend ist, drohen keine kostenpflichtigen Abmahnungen oder Gerichtsverfahren. Umgekehrt läuft man allerdings Gefahr, wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen zu werden, sollte man auf die Angabe des Grundpreises unter Berufung zum Beispiel der Entscheidung des OLG Celle bewusst verzichten.

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