Es mehren sich die Entscheidungen, die sich mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die Löschung eines Beitrages auf einem sozialen Netzwerk zulässig war. Zunehmend müssen sich Gerichte mit Klagen auf Wiederherstellung eines gelöschten Beitrages auseinandersetzen. Dabei ist es wichtig zu unterscheiden, ob die Löschung mit einem Verstoß gegen die eigenen Regelungen zum Verbot von sog. Hassrede begründet wird. Die Interessenabwägung fällt bei Beiträgen, die als Hassrede (Hate Speech) eingestuft werden meistens zugunsten der Plattformbetreiber aus, während die Löschung satirischer Beiträge regelmäßig wieder herzustellen sind.

Hintergrund der Entscheidung

Das Landgericht Koblenz (Urt. v. 21.04.2020, Az.: 9 O 239/18) musste sich in der vorliegenden Entscheidung mit einem Fall sog. Hassrede auseinandersetzen. Das Portal stufte verschiedene Beiträge des Nutzers als Hassrede ein und entfernte zunächst einzelne Beiträge des Nutzers. Nachdem der Nutzer wiederholt vergleichbare Beiträge verfasste, sperrte das Portal das Nutzerkonto des Nutzers für bestimmte Funktionen. Auch das private Profil des Nutzers wurde zweimal vorläufig für 30 Tage gesperrt. Hiergegen richtete sich der Nutzer mit der Begründung, die Nutzungsbedingungen des Portals seien unwirksam und die Löschung der Beiträge sowie die Sperrung seines Accounts seien rechtswidrig.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Koblenz hatte diese Klage abgewiesen. Die Nutzungsbedingungen seien wirksam in das Nutzungsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen worden.

„Daran ändere nichts, dass dem Kläger keine andere Möglichkeit als die Bestätigung geblieben sei, wenn er sein Konto weiter nutzen wollte. Ihm wäre nämlich die Nutzung eines anderen sozialen Netzwerks ebenso möglich gewesen wie der völlige Verzicht auf die Nutzung eines solchen Netzwerks, da die Pflege von Beziehungen mit Freunden auch offline möglich sei.“

Die Nutzungsbedingungen verstoßen auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 1, S. 2 BGB. Die Bedingungen seien leicht verständlich geschrieben. Auch die Voraussetzungen für die Einstufung eines Beitrages als Hassrede seien nachvollziehbar. Das Portal erläutere zum einen sehr deutlich, was diese unter Hassrede verstehe und zum anderen, dass hierunter auch Beiträge fallen können, welche nicht die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten.

In der Pressemitteilung zu der Entscheidung (abrufbar über juris) heißt es unter anderem:

„Auch verstoßen die Nutzungsbedingungen nicht gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit, da dieser das virtuelle Hausrecht der Beklagten gegenüber stehe. Der Beklagten müsse ein solches virtuelles Hausrecht zugestanden werden, da diese das Risiko meiden müsse, ihrerseits wegen Äußerungen der Nutzer im sozialen Netzwerk unter anderem durch die Behörden in Haftung genommen zu werden. Deshalb dürfe die Beklagte auch Äußerungen unterbinden, die in den Grenzbereich der Legalität fielen. Auch sei zu berücksichtigen, dass Posts, die von einer Vielzahl anderer Nutzer als extrem, unnötig provozierend und einschüchternd empfunden werden könnten, die anderen Nutzer zur Beendigung der Nutzung des sozialen Netzwerks bewegen könnten. Dies wirke sich dann negativ auf den von der Beklagten beabsichtigten Meinungsaustausch und ihr Geschäftsmodell aus. Es könne daher der Beklagten nicht generell verboten werden, Löschungen und Sperrungen vorzunehmen, selbst wenn diese die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreiten. Für Hassreden müsse die Beklagte ihr Netzwerk auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit nicht zur Verfügung stellen.“

Auswirkungen für die Praxis

Es hat sich herauskristallisiert, dass die Gerichte den Portalen bei Hassrede im Rahmen einer Interessenabwägung das Recht einräumen, einzelne Beiträge zu löschen und Konten vorläufig zu sperren. Begründet wird dies zum einem mit dem virtuellen Hausrecht der Portalbetreibern und zum anderen vor allem mit dem Risiko der Betreiber, bei Nicht-Löschung selber in Anspruch genommen zu werden.

Übersicht ausgewählter Entscheidungen zur Löschung von Hass-Postings:

 

 

 

Die Entscheidungen zur Löschung von Beiträgen mit Hassrede ist allerdings nicht zwangsläufig übertragbar auf jede Löschung von Beiträgen auf sozialen Netzwerken. So löscht beispielsweise Twitter zahlreiche Beiträge, die nicht unter die Kategorie der Hassrede zu subsumieren sind. Vielmehr werden Beiträge mit satirischem Hintergrund gelöscht, die nach der Annahme von Twitter geeignet seien, politische Wahlen negativ zu beeinflussen (→ hierzu eine Übersicht bei Löffel Abrar). In diesen Fällen besteht kein Risiko des Portals, selber wegen der Verbreitung von rechtswidrigen Beiträgen in Anspruch genommen zu werden. Warum satirische Beiträge nicht einfach gelöscht werden dürfen, habe ich bereits in meinem Blog-Beitrag

„Twitter versteht keinen Spaß“

beschrieben. Es steht zu erwarten, dass es bei den anstehenden Wahlen zum 20. Bundestag in 2021 wieder vermehrt zur Löschung von Beiträgen kommt, die von den Portalen als sog. Desinformation eingestuft werden. Dann werden sich auch wieder die Gerichte vermehrt mit Ansprüchen auf Wiederherstellung befassen müssen.