Wer aus einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung in Anspruch genommen wurde, hat nach § 8 Abs. 4 S. 2 UWG einen eigenen Anspruch auf Erstattung der hierdurch entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung liegt auch dann vor, wenn zwischen den Parteien offensichtlich kein Wettbewerbsverhältnis besteht. Das entschied das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2020 (Az. 6 U 238/19).
Was ist passiert?
Die Parteien vertreiben beide Nahrungsergänzungsmittel. Allerdings vertreibt der Kläger Nahrungsmittel für Geckos, während der Beklagte Nahrungsergänzungsmittel für Menschen vertreibt. Weil der Kläger eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung auf seinem Onlineshop bereitgestellt hatte (→ Link zum Blog-Beitrag: Online-Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln), mahnte der Beklagte diesen aus Wettbewerbsrecht ab. Der Beklagte verlangte nicht nur die Unterlassung, sondern auch die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der Kläger hatte seinerseits einen Rechtsanwalt beauftragt, um sich gegen die Abmahnung zu verteidigen, insbesondere verlangte er die Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Er ist der Ansicht, die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich. Hieraus resultiere nach § 8 Abs. 4 S. 2 UWG ein eigener Anspruch auf Erstattung der hierdurch entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Die Entscheidung des OLG Köln
Diese außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten klagte der Kläger gerichtlich ein, und bekam nun vom OLG Köln Recht. Das Landgericht Köln hatte die Klage auf Zahlung noch abgewiesen. In der Pressemitteilung vom 25. März 2020 führt das OLG Köln hierzu aus:
„Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte die Abmahnung auf einen Aspekt gestützt habe, der offensichtlich nicht geeignet sei, ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen. Unternehmer, die Futter und Nahrungsergänzungsmittel für Geckos vertreiben, stünden offensichtlich nicht mit Unternehmern, die Nahrungsergänzungsmittel für Menschen vertreiben, im Wettbewerb. Aus dem offensichtlichen Fehlen des Wettbewerbsverhältnisses könne geschlossen werden, dass es dem Beklagten nicht – und erst recht nicht in erster Linie – auf das Abstellen des Wettbewerbsverstoßes angekommen sei. Der Beklagte habe sich offensichtlich nicht inhaltlich mit der Website des Klägers befasst, weil ihm dann aufgefallen wäre, dass das Abstellen auf Nahrungsergänzungsmitteln zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses abwegig ist. Aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers konnte eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung des Klägers die wirtschaftlichen Interessen eines Shopbetreibers, der mit Geckos nichts zu tun hat, aber sonst eine Vielzahl diverser Produkte vertreibt, nicht berühren, vor allem nicht mit der Argumentation, dass beide Nahrungsergänzungsmittel vertreiben würden. Triebfeder und das beherrschende Motiv für die Abmahnung sei nicht die Unlauterkeit des gegnerischen Verhaltens und die eigene Betroffenheit als Mitbewerber gewesen, sondern es hätten offensichtlich andere sachfremde Motive im Vordergrund gestanden. Der Kläger erhalte daher gem. § 8 Abs. 4 S. 2 UWG Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen.“
Auswirkung für die Praxis
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG wird im Wesentlichen ausgefüllt durch Indizien, welche von der Rechtsprechung entwickelt werden. Für den Abgemahnten ist es in der Regel nicht möglich, die innere Absicht des Abmahnenden nachzuweisen. Der Abgemahnte ist allerdings für das Vorliegen der Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchseinwands darlegungs- und beweisbelastet. Weil der Nachweis allerdings naturgemäß nicht gelingt, wenn der Abmahnende seine Motive nicht direkt offenlegt, reicht es nach der Rechtsprechung aus, wenn der Abgemahnte objektive Indizien vorträgt und nachweist, aus denen auf die innere Absicht geschlossen werden kann. Das OLG Köln hat hierzu festgestellt, dass ein Rechtsmissbrauch auch dann vorliegt, wenn ganz offensichtlich bereits ein Wettbewerbsverhältnis nicht besteht.
Wird man also von einem Unternehmen abgemahnt, welches ganz offensichtlich nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu einem steht, spricht vieles dafür, dass diese Abmahnung als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden kann. Das darf einen allerdings nicht in falsche Sicherheit wiegen, denn ist der Verstoß tatsächlich gegeben, bleibt es dabei, dass jeder Mitbewerber und die Wettbewerbszentrale diesen auch berechtigt abmahnen kann. In diesem Fall ist der Abgemahnte auch zur Erstattung der dann entstandenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet