EuGH entscheidet zur Markenanmeldung „Fack Ju Göthe“
Am 27. Februar 2020 (EuGH, Urteil vom 27.02.2020 – C-240/18 P) hat der EuGH über die Anmeldung der Unionsmarke „Fack Ju Göthe“ eine Entscheidung getroffen, die lange erwartet wurde. Hiernach verstößt die Marke nicht zwangsläufig gegen die guten Sitten. Zwar entscheidet der EuGH nicht direkt über die Eintragung der Marke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Allerdings wird das EUIPO bei der erneuten Prüfung der Eintragung der Marke die Feststellungen des EuGH berücksichtigen müssen.
Was ist geschehen?
Bei der ursprünglichen Entscheidung über die Eintragung der Marke „Fack Ju Göthe“ hatte das EUIPO entschieden, dass der Eintragung ein absolutes Schutzhindernis entgegen steht. Es war der Auffassung, dass das Zeichen „Fack Ju Göthe“ gegen die guten Sitten verstoße und daher nicht eingetragen werden könne. Das ergebe sich aus Art. 7 Abs. 1 lit. f) UMV, wonach Zeichen, die gegen die guten Sitten verstoßen nicht als Marken eingetragen werden können. Daher hat es den Antrag auf Eintragung des Zeichens als Marke zurückgewiesen. Hiergegen legte Constantin Film einen Rechtsbehelf zum EuG ein. Das EuG bestätigte allerdings die Entscheidung des EUIPO in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2018 (EuG, Urt. v. 24.1.2018 – T-69/17) und stufte das Zeichen ebenfalls als sittenwidrig ein.
Was bedeutet eigentlich „gute Sitten“?
Gegen diese Entscheidung des EuG legte Constantin Film erneut Rechtsmittel zum EuGH ein. Der EuGH hat nun die Entscheidung des EuG aufgehoben. Zunächst hatte der EuGH den Begrifft der „guten Sitten“ zu bestimmen, vgl.:
„In Bezug auf dieses Eintragungshindernis ist festzustellen, dass der Begriff „gute Sitten“ in der Verordnung Nr. 207/2009 nicht definiert und daher unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung sowie des Zusammenhangs auszulegen ist, in dem er normalerweise verwendet wird. Wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich dieser Begriff in seiner gewöhnlichen Bedeutung auf die grundlegenden moralischen Werte und Normen, an denen eine bestimmte Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält. Diese Werte und Normen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und von Ort zu Ort unterschiedlich sein können, müssen anhand des gesellschaftlichen Konsenses bestimmt werden, der innerhalb dieser Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beurteilung vorherrscht. Hierfür ist der gesellschaftliche Kontext angemessen zu berücksichtigen, wozu gegebenenfalls diesen kennzeichnende kulturelle, religiöse oder philosophische Unterschiede gehören, um so objektiv beurteilen zu können, was diese Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt für moralisch hinnehmbar hält.“
Bei der Bewertung, ob ein Zeichen hiernach gegen die guten Sitten verstößt, reicht es nach dem EuGH zunächst nicht aus, dass das Zeichen lediglich als „geschmacklos“ empfunden wird. Vielmehr gilt:
„Zum Zeitpunkt der Prüfung muss dieses Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen dahin verstanden werden, dass es mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden grundlegenden moralischen Werten und Normen der Gesellschaft unvereinbar ist.“
Ein Verstoß gegen die guten Sitten muss konkret nachgewiesen werden
Weiter stellt der EuGH zu der Frage, was nachgewiesen werden muss, das Folgende fest:
„Um festzustellen, ob dies der Fall ist, muss die Wahrnehmung einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle zugrunde gelegt werden, wobei der Kontext, in dem die Marke voraussichtlich wahrgenommen werden wird, sowie gegebenenfalls die für diesen Teil der Union maßgeblichen besonderen Umstände zu berücksichtigen sind. Hierfür sind Aspekte wie Gesetzestexte und Verwaltungspraktiken, die öffentliche Meinung und, gegebenenfalls, die Art und Weise, in der die maßgeblichen Verkehrskreise bisher auf dieses Zeichen oder auf vergleichbare Zeichen reagiert haben, sowie jedes andere Element maßgeblich, anhand dessen die Wahrnehmung durch diese Verkehrskreise beurteilt werden kann.“
Die Feststellung des Vorliegens dieser Voraussetzungen darf nach dem EuGH nicht abstrakt erfolgen.
„Die so durchzuführende Prüfung darf sich nicht auf eine abstrakte Beurteilung der angemeldeten Marke oder gar nur einzelner Bestandteile derselben beschränken, sondern es muss nachgewiesen werden, dass die Benutzung dieser Marke im konkreten und gegenwärtigen sozialen Kontext von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als Verstoß gegen die grundlegenden moralischen Werte und Normen der Gesellschaft wahrgenommen würde, insbesondere, wenn der Anmelder Aspekte vorgetragen hat, die geeignet sind, Zweifel an der Tatsache aufkommen zu lassen, dass diese Marke von diesem Publikum als sittenwidrig empfunden werde.“
Diese Prüfung sei mit Blick auf das angemeldete Zeichen nicht hinreichend durchgeführt worden. Insbesondere sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass der gleichnamige Film millionenfach gesehen wurde, ohne dass sich hierbei entnehme ließe, dass die Zuschauer Anstoß an dem Filmtitel genommen hätten. Eine absolute Unvereinbarkeit mit den Wert- und Moralvorstellungen der Gesellschaft sei damit sicher festgestellt.
Nicht jede geschmacklose Marke auch unzulässig
Die zeigt deutlich, was vorgetragen werden muss, um das Schutzhindernis des Verstoßes gegen die guten Sitten gegen die Eintragung einer Marke einzuwenden. Nur wenn konkret dargelegt werden kann, dass ein Zeichen gegen die Wert- und Moralvorstellungen einer Gesellschaft verstößt, kann die Eintragung einer Marke aus diesem Grund verhindert werden. Kann das nicht nachgewiesen werden, besteht kein Bedürfnis, die Eintragung eines Zeichens zu verhindern, selbst dann, wenn das Zeichen allgemein als anstößig angesehen wird.