Bundesjustizministerium legt Vorschlag zur Ergänzung des UWG vor

In den vergangenen zwei Jahren dominierten im Bereich des Influencer Marketings zahlreiche Gerichtsentscheidungen die Schlagzeilen. Hintergrund der Entscheidungen waren in der Regel tatsächliche oder vermeintliche Verstöße gegen die Pflicht zur Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation. Bemerkenswert an den Entscheidungen war, dass man vorher nicht abschätzen konnte, wie die angerufenen Richter entscheiden werden, denn die Entscheidungen fielen teilweise komplett unterschiedlich aus. Der Grund hierfür ist die teilweise unterschiedliche Auslegung von zum Beispiel § 5a Abs. 6 UWG. Dort heißt es wörtlich:

„Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

Streitfall „kommerzieller Zweck“

Ein wesentlicher Streitpunkt im Influencer Marketing ist dabei oftmals, ob mit einem Beitrag überhaupt ein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Das ist immer dann schwierig zu bestimmen, wenn der Influencer aus eigenem Antrieb ein bestimmtes Produkt besonders lobend erwähnt oder wenn er das Produkt zwar zur Verfügung gestellt bekommen hat, hierfür aber keine sonstige Vergütung erhält. Die Bewertung dieser Sachverhalte wurde von den einzelnen Gerichten teilweise komplett gegensätzlich vorgenommen (→ eine Übersicht zu den zahlreichen Entscheidungen gibt es hier).

Vorschlag des Bundesjustizministerium

Diese unterschiedliche gerichtliche Praxis führte dazu, dass unter den Influencer eine gewisse Unsicherheit aufkam, ob ein bestimmter Beitrag nun zu kennzeichnen sei oder eben nicht. Oftmals führte diese Verunsicherung dazu, dass aus Angst vor einer Abmahnung rein vorsorglich einfach jeder Beitrag gekennzeichnet wurde. Dass das dem Zweck der Kennzeichnungspflicht zuwiderläuft, liegt auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesjustizministerium einen Vorschlag zur Ergänzung von § 5a Abs. 6 UWG vorgelegt. Dieser sieht wörtlich derzeit so aus:

„Ein kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn diese vorrangig der Information und Meinungsbildung dient und für diese kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gewährt wurde.“

Ob mit diesem Vorschlag tatsächlich die bestehende Unsicherheit behoben werden kann, ist fraglich. Festzuhalten ist allerdings zunächst, dass hiermit eine benannte Ausnahme für das Vorliegen eines kommerziellen Zweckes beschrieben wird. Diese Ausnahme ist an zwei Voraussetzungen geknüpft, deren Vorliegen vom Influencer im Streitfall bewiesen werden muss.

Die erste Voraussetzung ist dabei, dass der Beitrag „vorrangig der Information und Meinungsbildung dient“. Nach der Begründung soll diese Ausnahme dazu dienen, Influencer aus der Pflicht zur Kennzeichnung zu entlassen, wenn mit der Äußerung auch das eigene Profil geschärft werden soll. Ausgefüllt werden soll diese Voraussetzung anhand objektiver Kriterien. Hier kommen allerdings bereits erste Bedenken auf, ob diese Voraussetzung geeignet ist, den bestehenden Unsicherheiten sinnvoll zu begegnen. Die von dem Bundesjustizministerium angedachten „objektiven Faktoren“ werden im Gesetzeswortlaut naturgemäß nicht benannt und müssen daher von der Rechtsprechung erst noch entwickelt werden. Wann als die Information und die Meinungsbildung vorrangig ist, wo also die Grenze zu ziehen ist, wird erst dann sicher feststellen, wenn sich hierzu der Bundesgerichtshof mit dieser Frage auseinander gesetzt hat. Bis dahin werden weiterhin zahlreiche Entscheidungen auf der Ebene der Landgerichte und der Oberlandesgerichte getroffen werden, die sich mit dieser Frage zu befassen haben. Da Landgerichte und Oberlandesgerichte nicht an die Entscheidungen anderer Instanzgerichte gebunden sind, ist es wahrscheinlich, dass die Rechtsprechung in dieser Fragen genauso uneinheitlich ausfällt wie bislang. Durch die geplante Gesetzesänderung verlagert sich der Streit also auf eine andere Ebene, ohne dass hierdurch die bestehende Unsicherheit beseitigt wird.

Da bereits die erste Voraussetzung mit neuen Unsicherheiten verbunden sein wird, ist es fast schon unbedeutend, dass die zweite Voraussetzung relativ leicht von dem Influencer im Streitfall nachgewiesen werden kann. Ob dieser nämlich ein Entgelt oder eine andere Gegenleistung nicht erhalten hat, kann er dadurch nachweisen, dass er eine entsprechende Erklärung des „beworbenen“ Unternehmens beibringt.

Lieber keine Gesetzesänderung als eine schlechte Gesetzesänderung

Der Vorstoß des Bundesjustizministerium ist vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten in der Influencer-Szene löblich und verständlich. Ob durch die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie „vorrangig“ diese Unsicherheit beseitigt werden kann oder die Streitigkeiten nicht eher auf eine andere Ebene verlagern, dürfte die entscheidende Frage sein, die es zu beantworten gilt. Kommt man im Gesetzgebungsverfahren zu der Erkenntnis, dass der Vorstoß in diesem Punkt keinen Mehrwert stiftet, wäre es sinnvoller, von diesem Vorhaben in dieser Form Abstand zu nehmen. Eine Gesetzesänderung, die Unsicherheiten beseitigen soll, aber neue Unsicherheiten hervorbringt, braucht es nicht.