Doch, aber mit Einschränkungen im wettbewerblichen Kontext
Das Landgericht Köln (Urt. v. 17.9.2019 – 31 O 19/19) hatte jetzt mal einen etwas anderen Sachverhalt unter Beteiligung eines Influencers zu entscheiden. Gegenstand des Verfahrens waren nicht fehlende oder fehlerhafte Werbekennzeichnungen, sondern rufschädigende Äußerungen gegenüber einem Unternehmen. Mit dieser Entscheidung wird noch einmal deutlich, dass Influencer sich wie andere Marktteilnehmer an die Regeln eines lauteren Wettbewerbs halten müssen. Auch wenn die Sprache des Influencers in der Regel zielgruppenspezifisch, und damit manchmal etwas rau ist, so darf dies nicht dazu führen, dass die Grenzen des Wettbewerbsrecht überschritten werden.
Was war der Hintergrund der Entscheidung?
Hintergrund der Entscheidung war die Markteinführung eines Nahrungsergänzungsmittels der Klägerin. Dieses Nahrungsergänzungsmittel enthält unter anderem den Inhaltsstoff Astaxanthin. Der Beklagte, der auf seinen Social Media Kanälen ebenfalls regelmäßig Beiträge aus dem Fitnessbereich und zu Nahrungsergänzungsmitteln veröffentlicht, kommentierte zunächst unter einem Social Media Post der Klägerin einen negativen Beitrag mit Blick auf das dort beworbene Produkt. Nachdem die Klägerin ihre Kommentarfunktion für den Beklagten sperrte, veröffentlichte der Beklagte auf seinen eigenen Social Media Kanälen, insbesondere auf Instagram, verschiedene Beiträge, die sich unter anderem mit dem Inhaltsstoff Astaxanthin aber auch der Klägerin beschäftigten. Unter anderem veröffentlichte er folgende Aussagen:
„SCHRITTE ZUM FITNESS ENTREPRENEUR
- Mach ewig lange Knebelverträge
- Bring schlechte Produkte mit viel Marge.
(DEINE ATHLETEN WERDEN HIER DIE MARKE VERLASSEN WOLLEN, ABER DESHALB JA PUNKT 1 – HA!)“
„Ach und heute morgen hab ich viel Spaß mit den ganzen Nachrichten, die sich auch darüber wundern, wie man so dämlich sein kann und nun von Vitamin E auf Astaxanthin in Omegas wechselt. Wer wissen will wieso, schaut euch das Antioxidantien Highlight auf dem N-Account an. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
„Vitamin E oder Astaxanthin werden vom Hersteller nur hinzugegeben, weil man dadurch per Gesetz das Mindesthaltbarkeitsdatum verlängert. Es ist nur gut für den Hersteller, für den Kunden ist das nicht notwendig.“
„potentiellen Gefahren von hohen Dosen Vitamin C oder wenn man sich jeden Tag Astaxanthin oder sonst was gibt.“
„[…] wir haben die Analyse, die sogar erhöhtes Krebsrisiko zeigen nicht nur bei EGCG, sondern auch verschiedenen Carotinoiden, wo z.B. Vitamin E, Astaxanthin usw. dazugehört.“
Hiergegen richtete sich die Klägerin zunächst außergerichtlich. Nachdem dies allerdings erfolglos blieb, nahm die Klägerin den Beklagten gerichtlich in Anspruch und bekam vom Landgericht Köln in weiten Teilen Recht.
Was hat das Gericht nun entschieden?
Zunächst hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. Das ergibt sich zum einen daraus, der Beklagte mittels Links auf seinen Social Media Profilen auf den Instagram Account eines Unternehmens verweist, welches ebenfalls Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Hierdurch fördere der Beklagte nicht nur seinen eigenen Wettbewerb, sondern auch fremden Wettbewerb, nämlich den des verlinkten Unternehmens.
Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen nicht um ausschließlich private Meinungen handelt, sondern um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Hierzu führt es unter anderem aus:
„Der Beklagte mag sich früher ohne geschäftliche Absichten an Diskussionen zu Trends im Bereich des Kraftsports und dort eingesetzten Nahrungsergänzungsmittel beteiligt haben. Nunmehr hat der Beklagte jedoch mit über 60.000 Abonnenten und seiner Arbeit für die unter der Marke „N“ vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel eine Stellung erreicht, in der seine Äußerungen eindeutig geschäftlichen Charakter haben. Wenn der Beklagte über Nahrungsergänzungsmittel anderer Anbieter spricht, so tut er dies nicht allein als interessierte Privatperson, die ihre Meinung vertritt, sondern stets auch, um den Absatz derjenigen Nahrungsergänzungsmittel voranzubringen, an deren Vertrieb er selbst mitwirkt.“
Die angegriffenen Aussagen sind dann auch unlauter nach § 4 Nr. 1 UWG, weil sie die Tätigkeit eines Mitbewerbers herabsetzen. Unter einer Herabsetzung ist dabei die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers (oder seines Unternehmens und/oder seiner Leistungen) durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind in aller Regel nach § 4 Nr. 1 UWG unzulässig. Wahre Tatsachenbehauptungen sind dagegen grundsätzlich zulässig, allerdings nur, soweit ein sachliches Informationsinteresse der Verkehrskreise besteht. Bei Werturteilen ist, soweit nicht eine Formalbeleidigung oder Schmähkritik vorliegt, stets eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der auch die Grundrechte angemessen zu berücksichtigen ist.
Werden also unwahre Tatsachen, wie zum Beispiel nicht belegte Gesundheitsrisiken bei der Einnahme eines bestimmten Produktes verbreitet, ist dies nach diesen Grundsätzen bereits unzulässig. Bei Tatsachenbehauptungen müssen Influencer also immer sicher sein, dass diese wahr sind. Das gilt sowohl für positive Tatsachen, die man dem eigenen Produkt zuschreibt als auch für negative Tatsachen, die man einem Dritt-Produkt zuschreibt.
Meinungsfreiheit gilt nicht uneingeschränkt
Soweit eine Meinungsäußerung getroffen wird, ist zu berücksichtigen, dass für Äußerungen, die zu Wettbewerbszwecken getan werden und bei denen die Meinungsfreiheit des Informationsinteresse der Allgemeinheit lediglich als Mittel zur Förderung privater Wirtschaftsinteressen eingesetzt werden, strengere Anforderungen gelten. Mit anderen Worten, ein Influencer kann sich zwar auch weiterhin auf die Meinungsfreiheit berufen, trifft er allerdings eine Meinungsäußerung in einem wettbewerblichen Kontext, sind an die Zulässigkeit der Äußerung strengere Anforderungen zu stellen mit der Folge, dass eine Meinungsäußerung nach einer Abwägung der Interessen als unzulässig eingestuft werden kann, die in einem rein privaten Kontext als zulässig zu werten wäre. So entschied das Landgericht Köln auch hier:
„Bei der gebotenen Gesamtwürdigung, bei der die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Inhalt und die Form der Äußerung, ihr Anlass und der Zusammenhang, in den sie gestellt ist sowie die Verständnismöglichkeiten des angesprochenen Verkehrs zu berücksichtigen sind (BGH WRP 2018, 682 Rn. 40 – Verkürzter Versorgungsweg II), erscheinen die Äußerungen als unzulässig. Weder wird die Kritik durch den Beklagten sachlich präsentiert noch erscheinen die Informationen für den Adressatenkreis besonders nützlich. Es handelt sich im Ergebnis um eine schlichte Diffamierung der Klägerin, wenn geäußert wird, die Klägerin biete „schlechte Produkte mit viel Marge“ an und binde ihre Vertragspartner mit Knebelverträgen an sich. Diese Äußerungen sind, jedenfalls wenn sie – wie hier – durch einen Mitbewerber erfolgen, herabsetzend.“
Worauf muss man als Influencer also achten?
Nachdem viel über Kennzeichnungspflichten geschrieben wurde, ist diese Entscheidung mal erfrischend anders relevant für Influencer. Was viele nämlich vergessen: im geschäftlichen Umfeld gelten durch aus andere Spielregeln als im rein privaten Bereich. Das gilt vor allem dann, wenn sich Äußerungen nicht auf das eigene Produkt beziehen, sondern auf den Wettbewerber und/oder seine Produkte und Leistungen. Kann man im privaten Umfeld frei von der Leber weg ein nutzloses Produkt kritisieren, muss man das als Influencer und Werbeträger nicht, jedenfalls nicht ohne Gefahr zu laufen, von dem so kritisierten Unternehmen wegen Rufschädigung in Anspruch genommen zu werden.
Auch wenn sich bei vielen Influencern die privaten und die geschäftlichen Aktivitäten nicht immer trennscharf unterscheiden lassen, müssen Influencer besonders darauf achten, womöglich berechtigte Kritik an Unternehmen oder Produkten mit den richtigen Mitteln zu üben. Das Wettbewerbsrecht enthält Spielregeln, an die sich alle Beteiligten, die an dem Spiel „geschäftliches Fortkommen“ teilnehmen, halten müssen. Zu diesen Spielregeln gehört es auch, Mitbewerber nicht zu verunglimpfen. Das ist nicht nur schlechter Stil, es hat auch zur Folge, dass der Mitbewerber zum Gegenangriff bläst und man sich am Ende – völlig unnötig – vor Gericht wiedersieht.
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