Der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach dem UWG

Im Wettbewerbsrecht, aber auch in anderen Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts ist es anerkannt, dass mit einer außergerichtlichen Abmahnung keine sachfremden Interessen verfolgt werden sollen, sondern allein die Verfolgung einer vermeintlichen Rechtsverletzung. Das Gleiche gilt dann auch für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Rechtsverletzung.

Für das materielle Lauterkeitsrecht regelt § 8 Abs. 4 UWG, dass die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie überwiegend dazu dient, gegen den Verletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Steht also die „Gewinnerzielungsabsicht“ und nicht die berechtigte Verfolgung von Rechtsverletzungen im Vordergrund, spricht einiges für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen. § 2b UKlagG sieht eine vergleichbare Regelung. Sofern sich der Sachverhalt außerhalb des Wettbewerbsrecht bewegt, kann sich der Einwand aus § 242 BGB ergeben.

Um die Rechte von Verbrauchern und KMU zu stärken, ist man der Ansicht, dem Rechtsmissbrauchseinwand mehr Gewicht einzuräumen und stärker gesetzlich zu regeln. Ob dieser Vorstoß seinen verfolgten Zweck erreicht ist zweifelhaft, soll aber an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

Folgen des erfolgreich erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauches

Folge eines erfolgreich erhobenen Einwandes des Rechtsmissbrauches ist nach § 8 Abs. 4 UWG, dass die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG unzulässig ist. Dem Abmahner fehlt es für die Abmahnung bereits an der Abmahnbefugnis und für einen möglichen Prozess die Klagebefugnis. Der materiell-rechtliche Anspruch kann also nicht von dem (vermeintlich) Verletzten durchgesetzt werden. Nach § 8 Abs. 4 S. 2 UWG kann der Abgemahnte im Gegenzug vom (vermeintlich) Verletzten die Erstattung der ihm entstandenen Kosten der Verteidigung gegen die rechtsmissbräuchliche Abmahnung verlangen.

Der Einwand des Rechtsmissbrauch aus § 8 Abs. 4 UWG ist jedoch auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG beschränkt. Er kann nicht auf andere Ansprüche übertragen werden bzw. entsprechend angewendet werden.

Darüber stellt sich die Frage, ob der Einwand auch noch im Vollstreckungsverfahren erhoben werden, also nach Erlass einer vollstreckungsfähigen Entscheidung.

Die Entscheidung BGH, Urt. v. 13.09.2018 – I ZR 26/17 – Prozessfinanzierer I

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich auch im Verfahrensrecht (vgl. BGH, Urt. v. 13.09.2018 – I ZR 26/17 – Prozessfinanzierer I, Rz. 37). Dieser Grundsatz verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnisse. Ein Verstoß hiergegen führt zur Unzulässigkeit der Ausübung prozessualer Befugnisse (BGH, a.a.O., Rz. 37). Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauches nach § 242 BGB können dann auch Umstände, die gemäß § 8 Abs. 4 UWG oder § 2b UKlaG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogenen werden (BGH, a.a.O., Rz. 40).

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte mehrere (angebliche) Wettbewerbsverstöße mit einer Klage geltend machen kann, er aber ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Klagen neben- oder nacheinander erhebt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2013 – 48/13, Rz. 76). Ein Rechtsmissbrauch liegt nach dem Kammergericht Berlin vor, wenn der Anspruchsberechtigte getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erbeheblich erhöht, obwohl eine Inanspruchnahme in einem Verfahren für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden ist (vgl. KG Berlin, Urt. v. 25.11.2011 – 5 W 175/11).

Übertragen auf eingeleitete Ordnungsmittelverfahren bedeutet dies, dass ein Gläubiger verschiedene Sachverhalte in einem Ordnungsmittelverfahren verfolgt, wenn es diesem nach dem zeitlichen Geschehensablauf möglich und zumutbar ist. Erhält der Gläubiger also nach Einleitung aber vor Beendigung eines Ordnungsmittelverfahrens Kenntnis von einem weiteren Sachverhalt, der einen Verstoß gegen den Unterlassungstenor begründen könnte, ist er gehalten, diesen in dem bereits anhängigen Ordnungsmittelverfahren mit zu verfolgen. Wartet er erst den Ausgang des bereits eingeleiteten Ordnungsmittelverfahrens ab und strengt dann wegen des weiteren Sachverhalts ein weiteres Ordnungsmittelverfahren an, ist dies ein starkes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Das gilt erst Recht dann, wenn der „neue“ Sachverhalt tatsächlich noch Teil der zuerst zur Kenntnis genommenen Verletztungshandlung ist, es sich hierbei also um eine Tat im Rechtssinne handelt. So hat es nun auch das Landgericht Hamburg gesehen (327 O 8/19) und darauf hingewiesen, dass ein Ordnungsmittelantrag rechtsmissbräuchlich ist, wenn hierdurch ein Sachverhalt unnatürlich aufgespalten wird und zu unnötigen Mehrkosten entstehen, obwohl der Sachverhalt bereits im Rahmen eines früheren Ordnungsmittelantrages hätte mit verfolgt werden könne.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg stellt wohl eine seltene Ausnahme dar, denn auf der Ebene der Vollstreckung wird der Einwand des Rechtsmissbrauchs zum einen deutlich seltener erhoben. Zum anderen dürften auf dieser Ebene die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch auch seltener vorliegen. Wie die vorliegende Entscheidung aber zeigt, ist es nicht ausgeschlossen und es lohnt sich daher, bei jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob das Vorgehen des Gläubigers dazu dient, tatsächlich Rechtsverletzungen zu unterbinden oder er damit nicht vielmehr sachfremde, insbesondere finanzielle Ziele verfolgt. Im letztgenannten Fall sollte der Einwand des Rechtsmissbrauchs zumindest in Betracht gezogen werden, um die Verhängung eines – im Falle des festgestellten Rechtsmissbrauchs – unberechtigten Ordnungsgeldes abzuwenden.