Oder: When Social Media (Marketing) goes wrong

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, ist mit einem umstrittenen Video in den letzten Tagen stark in die Kritik geraten. Zu sehen ist die Bundesministerin mit einem verantwortlichen Vertreter des Unternehmens Nestlé. In dem nur wenige Sekunden langen Video geht es im Wesentlichen um eine gesunde Ernährung und wie dies durch die Reduzierung von zum Beispiel Zucker möglich ist. Auch wenn das Unternehmen Nestlé oder bestimmte Produkte des Unternehmens nicht ausdrücklich von Frau Klöckner beworben werden, so erhält das Unternehmen durch diesen kurzen gemeinsamen Auftritt eine mediale Aufmerksamkeit, den sich Mitbewerber durch teure Werbespots erkaufen müssen.

Geht es hier um Schleichwerbung?

Auf den sozialen Netzwerken erfährt die Bundesministerin genau wegen dieser Aufmerksamkeit für ein konkretes Unternehmen heftige Kritik. Nicht nur, dass das Video politisch höchst unklug sei, Frau Klöckner hätte ihr Video nach der Auffassung von Youtubern als Werbung kennzeichnen müssen. Der Vorwurf der Schleichwerbung wird laut und Vergleiche zum Influencer-Marketing gezogen. Aber kommt es hierauf für die Frage der Wettbewerbswidrigkeit überhaupt an? Die Einstufung als „Schleichwerbung“ würde voraussetzen, dass das Auftreten von Frau Klöckner als Werbefigur für ein bestimmtes Unternehmen im Grunde zulässig ist, wenn sie es nur hinreichend als Werbung kennzeichnet. Dem dürfte aber gerade nicht so sein, denn eine Bundesministerin unterscheidet sich bereits aufgrund ihres Amtes deutlich von Influencern oder anderen Privatpersonen. Das gilt erst Recht, wenn sie – wie in dem vorliegenden Video – in ihrer Funktion als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft zur Bevölkerung auftritt.

Stattliche Empfehlungen als Wettbewerbsverstoß

Bereits das Empfehlen einer Leistung eines Unternehmens der Privatwirtschaft durch eine staatliche Stelle kann einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht bedeuten, wenn dadurch das der öffentlichen Verwaltung entgegengebrachte Vertrauen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung missbraucht wird. Das ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 193/99 – „Elternbriefe“) vor allem dann der Fall, wenn die Empfehlung nicht das Ergebnis einer sachlichen und unparteiischen Wertung ist, sondern von geschäftlichen Interessen bestimmt wird und die Gleichbehandlung von Mitbewerbern beeinträchtigt wird. Ob im Einzelfall eine Empfehlung vorliegt, beurteilt sich nach der Rechtsprechung nach dem Eindruck, den der Verkehr von dem gezeigten Verhalten hat. Dabei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher und nicht auf die Anschauung einer Minderheit abzustellen. Nach einer weiteren Entscheidung des BGH (Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 54/11 – „Solarinitiative“) ist von einer Empfehlung eines Unternehmens auszugehen, wenn dieses in der Verlautbarung einer staatlichen Stelle als besonders vertrauenswürdig dargestellt wird.

Die bloße Empfehlung ist noch nicht unzulässig

Die bloße Empfehlung führt allerdings nicht direkt zur Unlauterkeit der Handlung. Mit einer solchen Empfehlung können schutzwürdige Interessen des Empfehlenden oder des angesprochenen Publikums verfolgt werden, die die konkrete Empfehlung rechtfertigen. So hat der BGH in der Entscheidung „Solarinitiative“ festgestellt:

„Mit den in den Verlautbarungen enthaltenen Empfehlungen hat die Bekl. zu 1 gegen ihre Pflicht zur neutralen Amtsführung verstoßen. Allerdings ist der Bekl. zu 1 als öffentlich-rechtlicher Körperschaft bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eine Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen grundsätzlich erlaubt. Hierüber darf sie die Verbraucher auch in angemessener Weise unterrichten. Die damit verbundene Förderung des Wettbewerbs des privaten Unternehmens ist als notwendige Folge dieser Unterrichtung hinzunehmen. Sie darf jedoch über ein angemessenes Maß nicht hinausgehen. Die dadurch gezogenen Grenzen für die Art und Weise der Unterrichtung hat die Bekl. zu 1 nicht eingehalten. Zu Recht hat das BerGer. in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die Bekl. zu 2 und 3 in den Verlautbarungen als besonders vertrauenswürdige Partner in der Solarbranche herausgestellt werden. Am Ende der Mitteilungen werden die Bekl. zu 2 und 3 der Bekl. zu 1, die über das besondere Vertrauen der öffentlichen Hand verfügt, als gleichwertige Partner an die Seite gestellt. Zu diesem Eindruck tragen die Veröffentlichung in den amtlichen Bekanntmachungen und Informationen und die blickfangmäßige Verwendung des Logos der Bekl. zu 2 und 3 bei.“

Auf die Art der Empfehlung kommt es an

Frau Klöckner wird man also zunächst zugutehalten können, dass sie bei der Veröffentlichung ein für die Gesellschaft wichtiges Thema angesprochen hat, nämliche die Förderung einer gesunden Ernährung. In diesem Zusammenhang wird man ihr zugestehen können, sich Rat auch bei Vertretern der Nahrungsmittelindustrie einzuholen. Insoweit liegt die Zusammenarbeit auch innerhalb des Aufgabenbereichs von Frau Klöckner als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft. Die Art der Information, die mit dem Video verbreitet wird, lässt aber den Schluss zu, dass es hier nicht darum geht, die Initiative des Bundesministeriums für eine gesunde Ernährung bekannter zu machen, sondern einem konkreten Unternehmen eine Plattform zu liefern, darzustellen, welche Maßnahmen dieses Unternehmen angeblich für eine gesunde Ernährung in der breiten Bevölkerung getroffen hat. Da nur der Vertreter eines Unternehmens die Leistungen seines Unternehmens präsentieren darf, bestehen erhebliche Bedenken an der Neutralität des Bundesministeriums und ist somit geeignet, die Gleichbehandlung mit Mitbewerbern zu beeinträchtigen.

Dass Frau Klöckner Empfehlungen für bestimmte Unternehmen ausspricht, ist wettbewerbsrechtlich zunächst nicht zu beanstanden, wenn hierdurch nicht das einer staatlichen Stelle entgegengebrachte Vertrauen in die Objektivität und Neutralität in ihre Amtsführung missbraucht wird. Hier dürfte ein Grenzfall vorliegen mit einer leichten Tendenz hin zur Unlauterkeit. Zwar besteht grundsätzlich ein Informationsinteresse an der Initiative des Bundesministerium und an der Beteiligung der Wirtschaft zur Erreichung der selbstgesteckten Ziele. Auch in anderen Branchen ist die Politik darauf angewiesen, dass die Wirtschaft und Industrie mit ihre an einem Strang zieht. Es ist aber nichts ersichtlich dafür, dass Nestlé einseitig eine Plattform bereit gestellt wird, um die unternehmenseigenen Maßnahmen auf dem Account eines Bundesministeriums zu bewerben. Es ist für die Information der Gesellschaft über die Initiative auch nicht erforderlich, dass im Begleittext auf den Social Media Account von Nestlé verlinkt wird.

 

„In America, first you get the sugar then you get the power, then you get the women.“ (Homer J. Simpon)