OLG Nürnberg zur fehlenden Dringlichkeit bei eingestellter Verletzungshandlung
Im Recht des geistigen Eigentums hat es sich etabliert, seine Ansprüche im Wege des Eilrechtsschutzes geltend zu machen. Gibt ein Verletzer auf eine außergerichtliche Abmahnung hin die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab, wird der Unterlassungsanspruch regelmäßig im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtlich weiterverfolgt. Hintergrund ist dabei das Interesse des Rechteinhabers, dass nur der gerichtliche Eilrechtsschutz geeignet ist, kurzfristig, das rechtsverletzende Handeln abzustellen. Gerade bei Werbemaßnahmen ist ein eiliges Vorgehen geboten, da diese regelmäßig nur für eine kurze Zeit abrufbar sind, in dieser aber bereits einen enormen Schaden (sprich: Umsatzeinbuße) beim Rechteinhaber anrichten können.
Dringlichkeit als zwingende Voraussetzung im Eilverfahren
Für die Gewährung von Eilrechtsschutz ist aber nicht nur erforderlich, dass der Rechteinhaber überhaupt einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung hat. Der sogenannte Verfügungsanspruch ist mehr oder weniger Grundvoraussetzung für ein Vorgehen gegen den Verletzer, egal ob mittels einstweiliger Verfügung oder im Wege einer normalen Hauptsacheklage. Neben diesem Verfügungsanspruch ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung aber auch erforderlich, dass die Angelegenheit aus der Sicht des Rechteinhabers, aber auch objektiv betrachtet dringlich ist. Diese besondere Dringlichkeit wird auch als Verfügungsgrund bezeichnet (vgl. §§ 935, 940 ZPO). Diese Hürde wird dem Antragsteller aufgestellt, damit Gericht nur in solchen Fällen eilig entscheiden, in denen ein Zuwarten für den Antragsteller bzw. Rechteinhaber schwere Nachteile bedeuten würden.
Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast des Antragstellers
Grundsätzlich gilt im Zivilprozess, dass diejenige Partei die für sie günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss. Dieser Grundsatz gilt in Verfahren des Eilrechtsschutzes gleichermaßen, nur mit dem Unterschied, dass hier aufgrund der besonderen Umstände nicht ein Vollbeweis erbracht werden muss. Vielmehr muss gegenüber dem Gericht nur glaubhaft gemacht werden, dass die aufgestellte Behauptung zu einem gewissen Grad wahrscheinlich ist. Diese Pflicht zur Glaubhaftmachung gilt auch für die Dringlichkeit, das heißt, der Rechteinhaber muss im Rahmen seines Antrages glaubhaft machen, warum die Angelegenheit eilig ist und er nicht bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren warten muss. Zur Erleichterung wird im Wettbewerbsrecht nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet, dass die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche stets dringlich sind, es sei denn diese Vermutung wird widerlegt. Dabei kann nicht nur der Antragsgegner die Vermutung der Dringlichkeit durch entsprechende Ausführungen widerlegen. Auch der Rechteinhaber kann durch sein eigenes Verhalten die Vermutung der Dringlichkeit widerlegen, zum Beispiel wenn er mit der Antragsstellung lange zuwartet oder großzügig Fristverlängerungen gewährt oder selber beantragt. Hierdurch dokumentiert er, dass es ihm mit der Verfolgung des Rechtsverstoßes nicht ganz so eilig ist.
Die Entscheidung des OLG Nürnberg
Außerhalb des Wettbewerbsrecht, und insbesondere im Markenrecht galt diese Vermutung der Dringlichkeit nicht. Hier musste der Rechteinhaber entsprechend dem Grundsatz im Zivilverfahren darlegen und glaubhaft machen, dass und warum die Angelegenheit dringlich ist und per einstweiliger Verfügung entschieden werden muss. Hierzu hatte dann das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2018 (3 W 1932/18) zunächst aber festgestellt
„Daher kann sich bei der Verletzung von Rechte im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes die Dringlichkeit aus der Lage des Falles von selbst ergeben. Das ist beispielsweise anzunehmen, wenn eine Verletzung des Rechts fortdauert und daraus dem Rechteinhaber ein Schaden erwächst, wie dies beim Vertrieb eines Produktes unter der Verletzung von Schutzrechten der Fall ist. (…) Solange die Verletzungshandlung andauert, ist von einem Verfügungsgrund auszugehen, denn der Zeicheninhaber ist in der Regel nicht gehalten, eine Markenverletzung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinzunehmen.“
Hieraus folgt also, dass bei einer Dauerhandlung der Verfügungsgrund solange besteht, wie auch die Verletzungshandlung andauert. Beendet der Verletzer jedoch die Verletzungshandlung, erwächst dem Rechteinhaber zunächst kein weiterer Schaden. Weiter führt das OLG Nürnberg dann aus
„Es hätte daher der Ast. oblegen, Tatsachen dazu vorzutragen, inwieweit – trotz eingestellter Verletzungshandlung – die Angelegenheit so dringlich ist, dass ihr nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Ohne einen derartigen Vortrag ist ein Verfügungsgrund nicht ersichtlich (…).“
Für den Rechteinhaber ist es also immer wichtig, den Verfügungsgrund nicht nur auf die zum Zeitpunkt der Abmahnung noch dauernde Verletzungshandlung zu stützen. Hat der Verletzer nach Erhalt der Abmahnung die Verletzungshandlung eingestellt, besteht zwar der Verfügungsanspruch weiterhin – dieser kann außergerichtlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden -, der Verfügungsgrund kann jedoch nicht mehr auf die Dauerhandlung in der Vergangenheit gestützt werden. Vielmehr bedarf es dann einer tragfähigen Alternativbegründung, warum die Angelegenheit gleichwohl dringlich ist.
Nachtrag
Für das Markenrecht hat sich dieser Grundsatz nach der Markenrechtsreform von 2019 geändert. Mit dem neuen § 140 Abs. 3 MarkenG gilt auch im Markenrecht zunächst die Vermutung der Dringlichkeit. Der Rechteinhaber muss den Verfügungsgrund also zunächst nicht proaktiv darlegen und glaubhaft machen. Durch diese Änderung gleicht sich das Markenrecht dem Wettbewerbsrecht an, was es für den Rechteinhaber im Eilverfahren einfacher macht, seine Rechte durchzusetzen.
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