Am 18. Juli 2018 hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen („GeschGehG-RegE“) zur Umsetzung der Richtlinie „Know-how-Schutz-Richtlinie“ vorgelegt. Der Regierungsentwurf enthält dabei umfangreiche Regelungen zur prozessualen Durchsetzung der eigenen Ansprüche. Regelungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen im vorprozessualen Bereich fehlen jedoch vollständig. Das ist misslich, denn aus der Definition des Geschäftsgeheimnisses ergeben sich Probleme bei der außergerichtlichen Durchsetzung der eigenen Ansprüche.

Definition des Geschäftsgeheimnisses

Das Geschäftsgeheimnis ist in § 2 Nr. 1 GeschGehG-RegE legaldefiniert. Danach handelt es sich im Kern um eine Information, die nicht allgemein bekannt und daher von wirtschaftlichem Wert sowie Gegenstand angemessener Schutzmaßnahmen ist. Durch das Erfordernis der angemessenen Schutzmaßnahmen werden die Anforderungen an den Schutz bestimmter Informationen erhöht. Der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses muss seine Information durch angemessene Schutzmaßnahmen vor einer unberechtigter Offenbarung sichern. Eine spätere Herausnahme der Information aus diesen Geheimhaltungsmaßnahmen führt dazu, dass der Schutz entfällt. Dabei unterscheidet der Wortlaut nicht, ob diese Herausnahme durch den Inhaber oder durch einen unberechtigten Dritten.

Ansprüche aus dem GeschGehG-RegE

Dem Inhaber eines solchen Geschäftsgeheimnisses stehen bei Verletzung dieses Geschäftsgeheimnisses eine Vielzahl von Ansprüchen aus §§ 6 ff. GeschGehG-RegE zu. Diese Regelungen entsprechen im Wesentlichen den bereits in anderen Gesetzen (z.B. DesignG, PatG oder UrhG) geregelten Ansprüchen. Dieser Schutz liefe allerdings leer, wenn der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses diese Rechte in einem vorgerichtlichen Verfahren gar nicht geltend machen könnte. Derjenige, der sich auf ein aus dem GeschGehG-RegE erwachsendes Recht beruft, hat das unbedingte Interesse an der Geheimhaltung des Geschäftsgeheimnisses sowohl im vorgerichtlichen, als auch im gerichtlichen Verfahren. Aufgrund des Öffentlichkeitsgrundsatzes vor den Gerichten schreckten viele Unternehmen in der Vergangenheit vor einer Durchsetzung zurück.

Die Geschäftsgeheimnisstreitsache

Der Gesetzgeber ist diesem Spannungsfeld jedenfalls für das gerichtliche Verfahren durch die Einführung neuer Verfahrensvorschriften im GeschGehG-RegE begegnet: Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann seine Ansprüche in einem besonderen prozessualen Verfahren, der sog. Geschäftsgeheimnisstreitsache geltend machen. Dabei kann im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, aber auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren, das Gericht die streitgegenständlichen Informationen auf Antrag ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen. Außerdem müssen nach gerichtlichem Beschluss gem. § 16 Abs. 2 GeschGehG-RegE alle am Verfahren beteiligten Personen diese Informationen streng vertraulich behandeln. Im gerichtlichen Verfahren wird damit ein vertrauliches Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden können.

Geltendmachung von Rechten aus dem GeschGehG-RegE im vorgerichtlichen Verfahren

Allerdings hat der Gesetzgeber im GeschGehG-RegE wohl nicht bedacht, dass dem gerichtlichen Verfahren aufgrund der Kostenfolge eines sofortigen Anerkenntnisses aus § 93 ZPO in der Regel ein vorgerichtliches Verfahren vorausgeht. Zudem hat sich die vorgerichtliche Abmahnung als gängiges Mittel etabliert, Gerichtsprozesse zu vermeiden. Das Interesse an der Geheimhaltung eines Geschäftsgeheimnisses besteht für dessen Inhaber jedoch auch in diesem vorgerichtlichen Verfahren. Fraglich ist hierbei insbesondere, wie in diesem vorgerichtlichen Verfahren mit dem Interesse an der Geheimhaltung eines Geschäftsgeheimnisses umgegangen werden soll. Denn wenn ein Geschäftsgeheimnis aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes auch in der Abmahnung konkretisiert und damit faktisch offengelegt werden müsste, würde das GeschGehG-RegE im Ergebnis leer laufen, jedenfalls aber müsste man dem Inhaber stets zu einer sofortigen gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche raten.

Verlust des Geheimnisschutzes durch Konkretisierung des Sachverhaltes in einer Abmahnung

Ein Problem im vorgerichtlichen Verfahren ergibt sich – wie gezeigt – direkt aus der Definition des § 2 Nr. 1 GeschGehG-RegE: Sollte der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses einen Rechtsverletzer in Anspruch nehmen, muss er diesen vorher abmahnen. In der Darstellung des abzumahnenden Sachverhalts muss die Verletzungshandlung dann auch grundsätzlich hinreichend konkretisiert werden.

Damit also eine solche Verletzungshandlung im Sinne des GeschGehG-RegE überhaupt festgestellt werden kann, müsste auch das streitgegenständliche Geschäftsgeheimnis umfassend bezeichnet und letztlich wohl auch offenbart werden.

Freiwillige Offenbarung führt zum Verlust des Geschäftsgeheimnisses

Nun ergibt sich hierbei das Problem, dass dieses Geschäftsgeheimnis durch den Inhaber gegenüber dem Anspruchsgegner durch diese Konkretisierung in der Abmahnung freiwillig offenbart wird. Damit wird das Geschäftsgeheimnis durch den materiell Berechtigten aber offenbart, was nach der Konzeption des GeschGehG-RegE eine erlaubte Handlung ist, die dazu führt, dass ein wesentlicher Teil der Voraussetzungen für den Erhalt und den Bestand eines Geschäftsgeheimnisses nicht mehr gegeben ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses bei der Geltendmachung seiner Rechte aus dem Immaterialgut jedenfalls für die Zukunft sämtliche Ansprüche verlöre, da er das Geschäftsgeheimnis letztendlich aufgrund der Geltendmachung seiner Rechte aus dem Schutzbereich seiner „angemessenen Schutzmaßnahmen“ herausgenommen hat. Ein Geschäftsgeheimnis bestünde bei dieser Lesart des GeschGehG-RegE damit ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung außerhalb einer Geschäftsgeheimnisstreitsache dieser Rechte gar nicht mehr.

Aber auch wenn der abgemahnte, vermeintliche Rechtsverletzer gar kein Geschäftsgeheimnis unbefugt genutzt hatte, erlangt er spätestens durch die Abmahnung erstmalig Kenntnis von diesem. Dies kann der Anspruchsgegner dem Inhaber dann auch so im vorgerichtlichen und gerichtlichen Verfahren vorhalten. Denn wer freiwillig seine Geschäftsgeheimnisse, bspw. durch eine Abmahnung an Dritte willentlich preisgibt, offenbart sein Geschäftsgeheimnis und damit hat der Dritte ein solches Geschäftsgeheimnis selbst nach dem Wortlaut des Regierungsentwurfes rechtmäßig erlangt. Aber auch in dieser Konstellation bedeutet die Offenbarung des Geschäftsgeheimnisses gegenüber dem Dritten, dass diese Information nicht weiter die Voraussetzungen für die Qualifizierung als „Geschäftsgeheimnis“ erfüllt und somit nicht mehr unter dem Schutz des GeschGehG-RegE stünde.

Direkte Klageeinreichung als Lösung?

Die Alternative zur Offenbarung des streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnisses in der Abmahnung ist die direkte Klageerhebung. Dadurch würde dem Rechteinhaber keine Offenbarung des Geschäftsgeheimnisses zur Last gelegt und das Geschäftsgeheimnis wäre im Wege der Geschäftsgeheimnisstreitsache noch „geheim“ i.S.d. GeschGehG-RegE. Allerdings müsste der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses bei einem sofortigen Anerkenntnisses die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn man die Geschäftsgeheimnisstreitsache aus dem Anwendungsbereich des § 93 ZPO nehmen würde, um so dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses die Möglichkeit zu eröffnen, direkt Klage ohne Kostenrisiko zu erheben. Alternativ kann im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung über die Kosten die besondere Situation und die Interessenlage des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses berücksichtigt werden, mit der Folge, dass im Rahmen einer Geschäftsgeheimnisstreitsache der Beklagte – trotz sofortigem Anerkenntnisses – die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Im Rahmen der Interessenabwägung des Richters zu berücksichtigen wäre also, dass der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses bei vorheriger außergerichtlichen Geltendmachung nicht in den Genuss des Schutzes der Geschäftsgeheimnisstreitsache käme und Gefahr liefe, sein Geschäftsgeheimnis für die Zukunft zu verlieren.

Darstellung des abzumahnenden Sachverhalts in der Abmahnung

Es dürfte allerdings zum einen unwahrscheinlich sein, dass die Geschäftsgeheimnisstreitsache aus dem Anwendungsbereich des § 93 ZPO genommen wird. Zum anderen würde der Verlust des Geschäftsgeheimnisses bei direkter Klageerhebung nicht auf einem Verhalten des Beklagten beruhen, sondern auf der Definition des Geschäftsgeheimnisses, sodass auch eine für den Kläger günstige Auslegung von § 93 ZPO im Rahmen einer Geschäftsgeheimnisstreitsache ebenfalls nicht weiterführen würde.

Fraglich ist also, wenn der Rechtsinhaber die Kostenfolge des § 93 ZPO vermeiden will, wie weit er sein Geschäftsgeheimnis im Rahmen einer vorgerichtlichen Abmahnung offenbaren muss. Grundsätzlich hat der Verletzte hier den Verstoß gegen das GeschGehG-RegE so weit offenzulegen, dass der Verletzer einen Verstoß erkennen und sich gegen die Anschuldigung verteidigen kann oder im Verletzungsfall den Umfang seiner Unterlassungspflicht ermitteln zu können.

Anwendung der BGH-Rechtsprechung zu § 17 UWG

Ginge man davon aus, dass die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §§ 823 II i.V.m. 1004 BGB analog i.V.m. § 17 UWG, welche im Klageverfahren gelten, auch für das vorprozessuale Verfahren zur Geltendmachung der Rechte aus dem GeschGehG-RegE anzuwenden sind, dann wäre das verletzte Geschäftsgeheimnis in der Abmahnung allerdings so weit zu beschreiben, als dies für ein späteres Klageverfahren nötig wäre. Die zu unterlassende Verletzungshandlung muss dabei so genau wie möglich beschrieben werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 17 UWG braucht der Verletzte aber nicht darlegen, hinsichtlich welchen Teils in der Produktionskette ein Betriebsgeheimnis verletzt wurde. Denn zur Feststellung, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt musste nach dem BGH im Klageverfahren keine genaue Beschreibung aller Besonderheiten des Geheimnisses dargelegt werden. Der Verletzte muss hierbei derartige Angaben grundsätzlich nur insoweit machen, als es für eine hinreichende Fassung des Klageantrags erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1960 – I ZR 72/59). Dabei handelt es sich dann um eine Korrektur zu Gunsten des Inhabers des verletzten Geschäftsgeheimnisses. Dem BGH war also schon zum damaligen Entscheidungszeitpunkt klar, dass der Bestimmtheitsgrundsatz und das Interesse am Geschäftsgeheimnisschutz in einem Konflikt stehen.

Probleme des Klägers hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast trifft grundsätzlich den Verletzten, also den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses, sodass ein Verstoß gegen das GeschGehG-RegE durch diesen darzulegen und ggfs. zu beweisen ist. In diesem Zusammenhang ist der Kläger regelmäßig verpflichtet, sein Geschäftsgeheimnis darzulegen, um überhaupt den Streitgegenstand eingrenzen zu können. Je detaillierte der Kläger dabei sein Geschäftsgeheimnis beschreibt, umso größer ist sein Risiko, dieses soweit zu offenbaren, dass es letztlich nicht mehr geheim ist. Diese Risiko verlagert sich im vorprozessualen Bereich dann auf die Abfassung einer hinreichend bestimmten Abmahnung und vorformulierten Unterlassungserklärung. Auch hier muss zunächst der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses darlegen, welche Information unrechtmäßig entwendet und/oder genutzt wurde. Es obliegt dem Inhaber des Geschäftsgeheimnis zunächst, den von ihm behaupteten Verstoß so konkret wie möglich darzulegen. Damit trägt aber der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses das Risiko, dass entweder die von ihm formulierte Abmahnung zu unbestimmt ist oder er zwangsläufig sein Geschäftsgeheimnis gegenüber dem vermeintlichen Verletzer offenbaren muss. Der letztgenannte Fall ist für den Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses jedoch der wirtschaftlich riskantere, da er fürchten muss, eine für sein Unternehmen wesentliche Information preisgeben zu müssen.

Wie geht es jetzt weiter?

Keine annehmbare Lösung für dieses Problem dürfte sein, die Vorschrift des § 93 ZPO bei Vorliegen einer Geschäftsgeheimnisstreitsache nicht anzuwenden. Ein solcher Vorstoß würde zu einer enormen Belastung der wenigen Landgerichte darstellen, die Geschäftsgeheimnisstreitsachen zu verhandeln haben. Zu begrüßen wäre zwar, dass die ohne vorherige Abmahnung angerufenen Gerichte im Rahmen ihrer Entscheidung über die Kosten nach § 93 ZPO die besonderen Umstände des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses berücksichtigten. Mangels einer entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidung trägt jedoch der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses das Risiko, dass das von ihm angerufene Gericht zu seinen Gunsten entscheidet.

Da nicht zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber diese Problematik noch im finalen Gesetzesentwurf lösen wird, besteht für den Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses das Risiko, entweder sein Geschäftsgeheimnis durch Offenbarung im Rahmen der Abmahnung zu verlieren oder die Kosten eines Prozesses zu tragen, wenn dieser den Verletzer zuvor nicht förmlich abmahnt.

Weiterführende Links:

Mehr zum Thema „Geschäftsgeheimnisgesetz“ hier; auch mit einem Muster NDA.

Broschüre zum Geheimnisschutz hier.

Beitrag zum Geheimnisschutz in der Industrie 4.0 hier.