Wie Pharmaunternehmen auf einen Shitstorm auf Facebook und Co. reagieren dürfen
Soziale Netzwerke sind für Unternehmen zu einem immer wichtiger werdendes Marketingumfeld geworden. Sie eröffnen Unternehmen die einmalige Chance, Kunden direkt und individuell anzusprechen. Bestehende Kundenbeziehungen können gefestigt und neue begründet werden. Durch das Teilen von einmal eingestellten Inhalten werden Kunden zu Botschaftern des werbenden Unternehmens. Früher bekannt als Mund-zu-Mund-Propaganda.
Von der Mund-zu-Mund-Propaganda zum Shitstorm
Der hohe Verbreitungsgrad von Inhalten in sozialen Netzwerken birgt allerdings auch Risiken für Unternehmen und für die über Jahre aufgebaute Reputation. Immer häufiger entwickelt sich aus einer einzelnen Kritik am Unternehmen oder an bestimmten Produkten ein regelrechter Sturm der Entrüstung, der innerhalb kurzer Zeit unkontrollierbare Ausmaße annehmen kann. Sachliche Kritik steht in einem solchen Shitstorm nicht mehr im Vordergrund. Die Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen und verleumderischen Aussagen zeichnen einen ausgewachsenen Shitstorm aus.
PR-Strategien bei einem Shitstorm
Unternehmen, die von einem Shitstorm heimgesucht werden, müssen einen hohen strategischen und kommunikativen Aufwand betreiben, um den Schaden an der Unternehmensreputation so gering wie möglich zu halten und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Eine Maßnahme, die Unternehmen in einer Krisensituation ergreifen können und sollten, ist die entgegengebrachte Kritik aufzugreifen und einfühlsam dabei aber sachlich richtig stellen, soweit die Kritik auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage fußt.
Eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten im Bereich der Heilmittelwerbung
Der Weg der proaktiven Gegenrede muss allerdings von Pharmaunternehmen, die verschreibungspflichtige Arzneimittel vertreiben, besonders behutsam gegangen werden, um nicht Gefahr zu laufen wegen unzulässiger Arzneimittelwerbung von Mitbewerbern oder der Wettbewerbszentrale in Anspruch genommen zu werden. Das gilt erst Recht, wenn Gegenstand der Entrüstung nicht das Unternehmen selber ist, sondern ein konkretes verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Hier müssen Pharmaunternehmen rechtliche Grenzen in der Krisenkommunikation beachten. Diese Grenzen ergeben sich unter anderem aus dem Heilmittelwerbegesetz (HWG). Nach § 10 Abs. 1 HWG ist es verboten, außerhalb von Fachkreisen verschreibungspflichtige Arzneimittel zu bewerben. Zu diesen Fachkreisen gehören beispielsweise Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Apotheker. Gegenüber Verbrauchern darf also nicht mit einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel geworben werden. Durch dieses Verbot soll verhindert werden, dass von außen auf das zwischen Arzt und Patient bestehende Vertrauensverhältnis eingewirkt wird. Der Arzt soll eine Verschreibung allein wegen der medizinischen Indikation vornehmen, nicht weil der Patient diesen aufgrund der Werbeaussage zu einem bestimmten Arzneimittel dazu drängt. Ausgenommen von diesem Werbeverbot ist jedoch die reine Imagewerbung, welche sich auf die positive Darstellung des Unternehmens ohne konkreten Produktbezug beschränkt.
Auch Krisenkommunikation kann Werbung sein
Konzentriert sich der Shitstorm aber auf ein konkretes Arzneimittel, wird die rechtlich zulässige Krisenkommunikation in den sozialen Netzwerken zum Drahtseilakt für das betroffene Unternehmen. Denn auch Krisenkommunikation stellt im Grundsatz Werbung im Sinne von § 10 Abs. 1 HWG dar. Das hat auch das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung noch einmal klargestellt (Urt. v. 12.1.2018, Az. 6 U 92/17). Werbung für ein Arzneimittel im Sinne von § 1 Abs. 1 HWG umfasst alle produkt- oder leistungsbezogene Aussagen, die darauf angelegt sind, den Absatz des beworbenen Arzneimittels zu fördern. Bereits die Nennung eines bestimmten Arzneimittelnamens stellt sich regelmäßig als eine für die Absatzförderung des Mittels geeignete Maßnahme dar und wird vom angesprochenen Publikum als eine dieser Förderung auch dienende Maßnahme verstanden. Dabei ist es unerheblich, dass die betreffende Maßnahme neben anderen Zwecken, wie eben der Krisenkommunikation, auch auf den Absatz eines bestimmten Arzneimittel gerichtet ist (OLG Köln, Urt. v. 12.1.2018, Az. 6 U 92/17). Auch die Aufklärung einer breiten Öffentlichkeit über vermeintlich falsche Aussagen im Internet und einen Shitstorm in sozialen Netzwerken ist unzulässig, sofern die ebenfalls mitschwingende werbliche Funktion, die auf die Absatzförderung des betreffenden Arzneimittels gerichtet ist, nicht gegenüber der Aufklärung gänzlich zurücktritt (OLG Köln, Urt. v. 12.1.2018, Az. 6 U 92/17).
Zulässiger Rahmen einer Krisenkommunikation
Damit ist die Krisenkommunikation von Pharmaunternehmen aber nicht insgesamt unzulässig. Ob im Einzelfall eine Maßnahme der Krisenkommunikation nach § 10 Abs. 1 HWG verboten ist, ergibt sich erst nach einer Abwägung zwischen dem Ausmaß der Gefahren, die durch die Veröffentlichung der Unternehmensmitteilung einhergehen und der Schwere des Eingriffs in das Grundrecht des Pharmaunternehmen auf Meinungsfreiheit. Diese Abwägung geht dann zugunsten des Pharmaunternehmen aus, wenn die Mitteilung zur Krisenkommunikation hinreichend Bezug nimmt zu der öffentlich geführten Diskussion bzw. dem Shitstorm, ohne dabei aber den Namen des betroffenen Arzneimittels zu nennen. Positiv in die Abwägung fließt auch ein, wenn sich die Mitteilung sachlich auf klarstellende Hinweise beschränkt und nicht zugleich werblich besondere Vorteile des betroffenen Arzneimittels herausgestellt werden (OLG Köln, Urt. v. 12.1.2018, Az. 6 U 92/17).
Praxishinweis
Krisenkommunikation ist auch im hochsensiblen Pharmabereich nicht insgesamt verboten und man ist einem Shitstorm in sozialen Netzwerken als Pharmaunternehmen nicht hilflos ausgeliefert. Richtet sich der Shitstorm direkt gegen das Pharmaunternehmen, findet das strenge Heilmittelwerberecht keine Anwendung, wenn sich die Krisenkommunikation ebenfalls nur auf das Unternehmen und ohne jeden Produktbezug beschränkt. In diesem Fall richtet sich die Zulässigkeit allein nach allgemeinen werberechtlichen Regelungen, sodass die Krisenkommunikation insbesondere nicht irreführend sein darf und auch nicht unwahre Tatsachen verbreitet.
Richtet sich der Shitstorm gegen ein konkretes Produkt, ist eine aufklärende Krisenkommunikation auch in diesem Fall nicht in jedem Fall verboten. Gleichwohl sind die Grenzen einer zulässigen Krisenkommunikation aufgrund des wichtigen Schutzgutes der Gesundheit der Gesellschaft enger als in weniger sensiblen Bereichen oder der reinen Imagewerbung. Wichtig ist, dass die Kommunikation
- sich auf die Aufklärung beschränkt und keine weiteren werblichen Aussagen enthält;
- sich auf die öffentlich geführte Diskussion bzw. den Shitstorm bezieht;
- ohne die Benennung des betroffenen Arzneimittels auskommt.