OLG Hamm, Urteil vom 30.11.2017 Az.: I-4 U 88/17
Kurz und Knapp
Werden in der Widerrufsbelehrung und im Muster-Widerrufsformular unterschiedliche Unternehmen genannt, gegenüber denen der Verbraucher die Widerruf des Vertrages erklären soll, stellt dies einen Verstoß gegen allgemeine Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr dar. Dieser Verstoß ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, die widersprüchlichen Angaben die Gefahr begründen, dass der Verbraucher von seinem Recht, einen Vertrag zu widerrufen, keinen Gebrauch machen könnte.
Hintergrund
Das Verbraucher-Widerrufsrecht wurde 2014 grundlegend reformiert. Hintergrund war die Umsetzung einer europäischen Richtlinie in nationales Recht, mit dem Ziel, europaweit ein einheitliches Schutzniveau für Verbraucher zu schaffen. Um dies zu erreichen, müssen Online-Händler das einheitliche europäische Muster für Widerrufsbelehrungen verwenden. Online-Händler müssen diese Muster-Belehrung lediglich an ihre Leistungen und Bedürfnisse anpassen. Neu eingeführt wurde auch ein Muster-Widerrufsformular, welches auf der Internetseite des Online-Händlers ebenfalls bereitgehalten werden muss.
Sowohl die Muster-Belehrung als auch das Muster-Formular sehen Platzhalter an der Stelle vor, wo der Online-Händler Name und Adresse des Empfängers der Widerrufserklärung eingetragen werden muss. Insgesamt zielten diese Regelungen darauf ab, es dem Verbraucher so einfach wie möglich zu machen, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Jede Angabe, die aufgrund ihres irreführenden Charakters geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten, stellt einen Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB dar, wonach Unternehmen in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrecht zu informieren. Ungenauigkeiten – gewollt oder ungewollt – gehen dabei zu Lasten des Unternehmens.
Die Entscheidung
Die Beklagte ist Betreiberin eines Online-Shops auf der Plattform „amazon“. Dort bietet sie unter anderem Sonnenschirme und entsprechendes Zubehör zum Verkauf an. Auf einer entsprechenden Unterseite bietet die Beklagte eine „Widerrufsbelehrung“ an. Im Rahmen dieser Widerrufsbelehrung macht die Beklagte Angaben zum Widerrufsrecht. Zudem enthielt die Widerrufsbelehrung das gesetzlich vorgesehene Muster-Widerrufsformular. Sowohl bei den Angaben zum Widerrufsrecht als auch im Muster-Widerrufsformular macht die Beklagte Angaben dazu, an wen der Widerruf zu richten sei. Allerdings wurde bei den Angaben zum Widerrufsrecht auf die A GmbH hingewiesen, während das Muster-Widerrufsformular die B GmbH als Empfänger der Widerrufserklärung enthielt.
Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen dieser widersprüchlichen Angaben im Rahmen der Widerrufsbelehrung erfolglos ab. Mit Urteil vom 22.06.2017 gab das Landgericht Arnsberg der entsprechenden Klage auf Unterlassung statt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, die Widerrufsbelehrung mache für den Verbraucher ganz deutlich, dass dieser sein Widerrufsrecht nach seiner Wahl entweder ihr, der Beklagten, gegenüber oder gegenüber der B GmbH ausüben könne.
Mit Urteil vom 30.11.2017 wies das OLG Hamm die Berufung der Beklagten zurück. Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 EGBGB müsse der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informieren. Hiergegen verstoße die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung, denn aus ihr sei nicht ersichtlich, dass der Verbraucher nach seiner Wahl den Widerruf entweder gegenüber der Beklagten selbst oder gegenüber der B GmbH erklären könne. Vielmehr seien die Angaben im Rahmen der Widerrufsbelehrung widersprüchlich und damit weder klar noch verständlich.
Das OLG Hamm bekräftigte darüber hinaus seine Rechtsprechung, dass ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die auf einer unionsrechtlichen Regelung beruhe, immer auch spürbar im Sinne des § 3a UWG sei. Das Spürbarkeitserfordernis sei in diesem Fall aber auch deswegen erfüllt, da die Gefahr bestünde, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Verbrauchern angesichts der widersprüchlichen Angaben in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung von der Ausübung des Widerrufsrechts absähen, weil diese Verbraucher entweder durch die Widersprüchlichkeit der Angaben nachhaltig verwirrt seien, weil sie angesichts der widersprüchlichen Angaben befürchten, die Beklagte und die B GmbH seien nicht hinreichend professionell organisiert, um einen Widerruf korrekt bearbeiten zu können, oder weil sie davon ausgehen, der Widerruf müsse, um wirksam zu werden, gegenüber beiden angegebenen Empfängern abgegeben werden, und den hiermit verbundenen Aufwand scheuten.
Praxishinweis
Der Argumentation der Beklagten, der Verbraucher können bei der Ausübung zwischen der A GmbH und der B GmbH wählen, konnte das OLG Hamm zu Recht nicht folgen, denn hierfür gaben die Angaben in der Widerrufsbelehrung gerade keinen Anhalt. Die Beklagte gab im Rahmen ihres Hinweises zum Widerrufsrecht lediglich die A GmbH an und im Rahmen des Muster-Widerrufsformulars allein die B GmbH. Für den Verbraucher wird dadurch nicht ersichtlich, an wen er seinen Widerruf nun tatsächlich richten soll. Nach der gesetzlichen Vorgabe ist es nicht Aufgabe des Verbrauchers, unklare Formulierungen zu deuten. Vielmehr ist es Aufgabe des Unternehmens, eine klare Formulierung zu wählen, die keine Zweifel über den Adressaten einer Widerrufserklärung aufkommen lässt. Möchte der Unternehmer regeln, dass ein anderes Unternehmen die Abwicklung von Retouren übernimmt, muss sich dies ausdrücklich und eindeutig aus den Informationen an den Verbraucher ergeben.